München, Germany
July 12, 2011
Der Echte Mehltau ist ein trickreicher Krankheitserreger: Der Pilz kann Gerste so manipulieren, dass die Zellen des Getreides ihm nicht nur Einlass in die Pflanze gewähren, sondern den Krankheitserreger auch noch mit Nährstoffen versorgen. Ein Forscherteam vom Lehrstuhl für Phytopathologie der Technischen Universität München (TUM) hat jetzt auf molekularer Ebene beteiligte Wege aufgedeckt, auf denen der Pilz das schafft - und wie die Gerste sich dagegen wehren kann. Die Ergebnisse wurden nun in der renommierten Fachzeitschrift "The Plant Cell“ veröffentlicht.
Auch Pflanzen haben ein Immunsystem, das sie vor Krankheitserregern schützt. Früherkennung von Erregern und anschließende Abwehrreaktionen, vor allem an der Pflanzenzellwand, wirken als Schutzschild. Doch auch die Erreger von Pflanzenkrankheiten haben ihre Waffen: Einige sind in der Lage, die zellwandassoziierte Abwehrreaktion der Pflanzen zu unterdrücken. „Ein besonders raffinierter Angreifer, der Echte Mehltaupilz, kann Zellen sogar so umprogrammieren, dass sie Architektur und Stoffwechsel zu Gunsten des Pilzes anpassen. Dann unterstützt die Pflanze das Einwachsen des eigentlich schädlichen Mehltaupilzes in lebende Pflanzenzellen aktiv und versorgt ihn sogar mit Nährstoffen“, erläutert Prof. Ralph Hückelhoven vom TUM-Lehrstuhl für Phytopathologie. Wie der Mehltau die Pflanze derartig manipulieren kann und welche pflanzlichen Komponenten dabei beteiligt sind, ist noch weitgehend ein Rätsel.
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Zytoskelett einer Gerstenzelle, in die gerade ein Schadpilz einzudringen versucht (Quelle: Caroline Hoefle / TUM)
Hückelhovens Forscherteam hat jetzt jedoch einen Baustein zur Entschlüsselung dieses Geheimnisses geliefert. Mit Unterstützung von Kollegen aus Gatersleben, Gießen und Erlangen haben die Weihenstephaner Wissenschaftler zwei Proteine in der Gerste identifiziert, die sich der Echte Mehltaupilz bei seiner „feindlichen Übernahme“ lebender Pflanzenzellen zunutze macht. Die beiden Eiweißstoffe steuern eigentlich gemeinsam Entwicklungsprozesse in der Pflanzenzelle - bei der Gerste sind sie zum Beispiel für das Wachstum von Wurzelhaaren verantwortlich. Das eine Protein, RACB genannt, ist ein molekularer Schalter, der in Pflanzen bei von außen kommenden Signalen eine strukturelle und stoffwechselbezogene Antwort ihrer Zellen einleitet. Zum Beispiel ist es an der Oberflächenvergrößerung der Pflanzenzelle bei Wachstumsprozessen beteiligt. Das andere Protein, MAGAP1 genannt, fungiert als sein Gegenspieler und kann so diese Aktivitäten der Zelle verhindern oder lokal begrenzen.
Die Forscher konnten beobachten, wie das RACB-Protein den Pilz beim Einwachsen in die Pflanze unterstützt. Die Grundfunktion des Proteins, die Vergrößerung der Pflanzenzellmembran, wird zum Einfallstor: Denn RACB fördert die Vergrößerung der Zelloberfläche beim Eindringen des Mehltaupilzes, so dass die Pflanzenzelle hierbei intakt bleibt und der Pilz weiter unterstützt wird. Hückelhovens Team konnte zeigen: Fehlt das Protein, ist die Pflanze weniger anfällig gegen Echten Mehltau. Hückelhoven erklärt:„Der Schadpilz profitiert also von diesem Protein der Gerste. RACB erleichtert es dem Echten Mehltau, seine Ernährungsorgane in die attackierte Zelle einzustülpen, um die Kontrolle über die Gerstenzelle zu übernehmen.“ Die Forscher vermuten, dass der Pilz schon quasi per Fernsteuerung von außen die Kontrolle über die pflanzeneigene Signalkette übernimmt, um dem Pilz die Tür zu den Nährstoffquellen der Pflanze zu öffnen.
Die TUM-Forscher konnten aber auch zeigen, dass die Gerste diesem Trick nicht wehrlos ausgeliefert ist - MAGAP1 kann die Attacke von außen wirksam verhindern. Dieses Gegenspieler-Protein sitzt normalerweise am Zytoskelett der Pflanzenzelle, einem dynamischen Geflecht aus Eiweißfasern, das u.a. für die Zellwandverstärkung zur Verhinderung einer Pilz-Invasion zuständig ist. Bei einer Attacke wandert MAGAP1 jedoch an die Membran der Zelloberfläche, wo es den Anfälligkeitsfaktor RACB abschaltet. Das verhindert dann die Oberflächenvergrößerung der Zelle, die der Pilz benötigen würde, um einzudringen. So schlägt die widerstandsfähige Gerstenzelle dem Echten Mehltau also die Tür vor der Nase zu.
Der Lehrstuhl für Phytopathologie betreibt hauptsächlich Grundlagenforschung. Doch die Wissenschaftler, die gleichzeitig Mitglied im Zentralinstitut Hans-Eisenmann-Zentrum für Agrarwissenschaften der TUM sind, denken bereits in diesem Stadium an den Landwirt: „Vom genauen Verständnis der Krankheitsursachen erhoffen wir uns mittelfristig innovative Ansätze zur Gesunderhaltung von Kulturpflanzen über die Stärkung der natürlichen Immunität“, so Prof. Hückelhoven.
Literatur:
Caroline Hoefle, Christina Huesmann, Holger Schultheiss, Frederik Börnke, Götz Hensel, Jochen Kumlehn, Ralph Hückelhoven (2011): A Barley ROP GTPase ACTIVATING PROTEIN Associates with Microtubules and Regulates Entry of the Barley Powdery Mildew Fungus into Leaf Epidermal Cells. The Plant Cell. Vorab-Publikation online unter www.plantcell.org/cgi/doi/10.1105/tpc.110.082131
Hintergrund:
Das Forschungsprojekt “Microbial reprogramming of plant cell development - RAC/ROP signalling in the interaction of Arabidopsis and barley with powdery mildew fungi” wurde bisher von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit 250.000 Euro gefördert.
TUM researchers discover a new switch in resistance to plant diseases
Powdery mildew is a tricky pathogen: The fungus can manipulate barley in a way that it is not only granted entry into the plant, but also gets the plant’s cells to supply it with nutrients. A team of researchers at the Chair of Phytopathology at Technische Universitaet Muenchen (TUM) has just identified, on a molecular level, how the fungus manages this feat – and how barley can fight back. The results have now been published in the renowned journal “The Plant Cell”.
Plants, too, have an immune system that protects them against diseases. The early detection of pathogens and the subsequent immune response, in particular at the cell wall, work as a protective shield. However, the pathogens that cause plant diseases have their weapons, too. Some are able to suppress the natural cell wall reaction in plants. “One particularly ingenious attacker, powdery mildew, can even reprogram cells in such a way that they adapt their architecture and metabolism to accommodate the fungus. The plant thus actively fosters the in-growth of the harmful mildew and even supplies it with nutrients,” explains Prof. Ralph Hückelhoven from the TUM Chair of Phytopathology. How the mildew manages this manipulation and which plant components are involved in the process is still largely shrouded in mystery.
Hückelhoven’s team of researchers has now succeeded in unraveling a part of the mystery. With the support of colleagues from Gatersleben, Gießen and Erlangen, the Weihenstephan scientists identified two proteins in barley that powdery mildew takes advantage of during its “hostile takeover” of living plant cells. Together, the two protein substances steer development processes in the plant cell. In barley, for instance, they are responsible for the growth of root hairs. The one protein, called RACB, is a molecular switch, which reacts to signals from outside to initiate a structural and metabolic response in the plant cells. In particular, it is involved in enlarging the plant cell surface during the growth process. The other protein, called MAGAP1, serves as its counterpart and can prevent or locally limit these activities in the cell.
The researchers observed just how the RACB protein supported the fungus during plant in-growth. A basic function of the protein, increasing the surface of the plant cell membranes, provides a gateway for attack: RACB fosters the increase in cell surface while the mildew is invading, thereby leaving the plant cell intact while still supporting the fungus. Hückelhoven’s team was able to demonstrate that the plant becomes less susceptible to powdery mildew when the protein is missing. Hückelhoven explains: “That is how the fungus benefits from this barley protein. RACB makes it easier for powdery mildew to push its haustoria, or feeding organs, into the attacked cell, to then take control of the barley cell.” The scientists suspect that the fungus manages to take control of the plant’s signal chain from outside – remotely, so to speak – to open the door to the plant’s nutrients.
The TUM researchers showed that barley is not entirely defenseless against this trick: MAGAP1 can effectively prevent such attacks from outside. This counterpart protein is normally found at the cytoskeleton of the plant cell, a dynamic network of protein fibers that is responsible, among other things, for reinforcing the cell wall to prevent fungal invasions. During an attack MAGAP1 migrates to the cell surface membrane where it then switches off the susceptibility factor RACB. This hinders the increase in cell surface, which the fungus needs to penetrate into the cell. The resilient barley cell may use this mechanism to slam the door in the face of powdery mildew.
The Chair of Pythopathology primarily does basic research. The scientists though, who are also members of the Hans Eisenmann Center of Agricultural Science at the TUM, had farmers in mind even at this early stage. “With a better understanding of the cause of diseases we hope, in the midterm, to find innovative approaches to maintaining the health of crops and grains by enhancing their immunity,” says Prof. Hückelhoven.