Welche Auswirkungen eine EU-Verordnung auf unterschiedliche Bereiche der Agrarbranche haben kann, zeigt das Beispiel des 2013 von der Europäischen Kommission beschlossenen Anwendungsverbots für drei Insektizide in der Saatgutbeizung. Die EU wollte mit dieser Maßnahme den Schutz der Honigbiene und anderer Bestäuber verbessern; die Landwirtschaft befürchtete Ernteverluste, da sie verschiedene Schädlinge nicht mehr bekämpfen kann.
Welche Erfahrungen sie bislang mit dem Neonikotinoid-Verbot gemacht haben, berichteten heute Jürgen Frühling, Vorsitzender des Landesverbands Hannoverscher Imker, und Daniel Bohl, Stv. Vorstandsvorsitzender der Wariner Pflanzenbau eG, vor Journalisten bei einem gemeinsamen Presse-Seminar des Industrieverbands Agrar e. V. (IVA) und der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen e. V. (UFOP) in Berlin. Dr. Richard Schmuck, Leiter Environmental Safety der Bayer CropScience AG, und Dr. Georg Diriwächter, Global Regulatory Lead EAME der Syngenta Crop Protection AG, berichteten über neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Einfluss der Wirkstoffe auf Bestäuber-Insekten.
„Das Aussetzen der Zulassung der neonikotinoiden Beize im Raps hat zu einem erheblich höheren Einsatz von Insektiziden, die mit der Pflanzenschutzspritze ausgebracht werden, geführt. Für die Umwelt ist das aus fachlich landwirtschaftlicher Sicht kein Vorteil. Ein gezielt wirkendes Pflanzenschutzmittel in Form der Beize wurde gegen mehrere weniger differenzierende Pflanzenschutz-Maßnahmen ausgetauscht. Darüber hinaus zahlen die Landwirte durch Ertragseinbußen von bis zu 150 Euro je Hektar einen hohen Preis für diese für die Umwelt fragwürdige Entscheidung“, kommentierte Landwirt Bohl die Auswirkungen des Neonikotinoid-Verbots.
„Die bereits in Deutschland erfolgte Einschränkung der Nutzung von Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam (keine Zulassung als Saatgutbeize bei Mais sowie Getreide) gibt einen deutlich höheren Bienenschutz als in anderen Ländern. Ein grundsätzliches Verbot der hier diskutierten Wirkstoffe und Anwendungen würde den Schutz der Honigbienen sowie anderer Bestäuber-Insekten erhöhen. Hier muss beurteilt werden, wie notwendig diese Wirkstoffe und deren Applikationsformen für den Pflanzenschutz sind. Unverzichtbarkeit von Wirkstoffen und Applikationsformen für die Landwirtschaft und Erhöhung des Bienenschutzes sind gegeneinander abzuwägen. Hierbei muss berücksichtigt werden, ob der Verzicht auf die Beize gegebenenfalls zu mehr Spritzmittelanwendungen führt“, erklärte Imker Frühling.
„Neonikotinoide zur Saatgutbehandlung von Winterraps tragen wesentlich zu einer nachhaltigen Landwirtschaft bei und können sicher für Mensch, Tier und Umwelt eingesetzt werden. Das belegte erneut eine großflächige Monitoring-Studie in Mecklenburg-Vorpommern. Unter landwirtschaftlichen Praxisbedingungen waren keine schädlichen Einflüsse der Rapsbeize Elado auf die Gesundheit von Honig- und Wildbienen zu erkennen. Der aktuelle Entwurf einer Leitlinie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA zur Risikobewertung für Bienen, das sogenannte Bee Guidance Document, ist versuchstechnisch nicht umsetzbar. Um eine einzige Feldstudie nach diesen Vorgaben durchführen zu können, müsste ein Versuchsareal von 448 Quadratkilometern mit einem stark eingeschränkten Kulturspektrum zur Verfügung stehen – eine Fläche, die fast doppelt so groß ist wie Frankfurt am Main“, kommentierte Schmuck (Bayer CropScience).
„Die Radiofrequenztechnologie war bei früheren Studienansätzen sehr beliebt, um den möglichen Einfluss von Neonikotinoiden auf das Bienenverhalten zu untersuchen. Leider kranken diese Studien am gleichen Systemfehler: Falsche, nicht praxisbezogene Dosierungen und die im Versuchskonzept verankerte Zwangsernährung der Bienen. Unsere Studie unter natürlichen Bedingungen zeigt zweierlei: Erstens kann die Radiofrequenztechnologie auch genutzt werden, um bei frei fliegenden Honigbienen zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen. Und zweitens fällt das Ergebnis dabei eindeutig aus: Unter natürlichen Bedingungen können keine Effekte von Neonikotinoiden auf das Bienenverhalten nachgewiesen werden. Für die anstehende Diskussion kann dies nur eines bedeuten: Weg von theoretischen Studien-Konstrukten, hin zu einem stärkeren Blick in die Praxis. Im Übrigen: Ohne Neonikotinoide können sich resistente Schädlinge schneller entwickeln, weil die wenigen verbleibenden Wirkstoffe überlastet werden. Ein wirtschaftlicher Rapsanbau ist dann nicht mehr möglich“, stellte Diriwächter (Syngenta) fest.
Die Präsentationen der Referenten stehen zum >> Herunterladen zur Verfügung.