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Studie: Biodiversität in Fließgewässern durch Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel nicht ausreichend geschützt
Study reveals: EU approval for pesticides does not protect water resources


Koblenz, Germany
August 2012

Bevor ein Pflanzenschutzmittel Marktreife erlangen kann, muss es einen auf EU-Ebene standardisierten Zulassungsprozess durchlaufen. Die Umwelt wird durch den aktuellen Zulassungsprozess nicht ausreichend geschützt. So lautet das Ergebnis einer gemeinsamen Studie der Universität Koblenz-Landau, des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), der Universität Aarhus (Dänemark) und der Technischen Universität Sydney, die aktuell in der internationalen Fachzeitschrift für Umweltwissenschaften „Environmental Science and Technology“ erschienen ist.

Für diese Meta-Analyse wurden mehrere weltweit verfügbare Freilandstudien zur Wirkung von Pflanzenschutzmitteln im Freiland verglichen und ausgewertet.

Durch Regen können in der Landwirtschaft ausgebrachte Pflanzenschutzmittel in Oberflächengewässer gespült werden und sich dort nachteilig auf Gewässerorganismen auswirken. Im Zentrum der Studie stand daher die Frage, wo die Effektschwellen für die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Organismen in Fließgewässern liegen. In ihrer Meta-Analyse berücksichtigten die Forscher ausschließlich Freiland-Studien, die Gewässer in landwirtschaftlich genutzten Gegenden untersuchten und in denen keine weitere Beeinträchtigung durch Industrie oder Abwasser vorkam.

In dem Untersuchungszeitraum von 1998 bis 2010 kamen acht Studien aus sechs verschiedenen Ländern Europas, aus Sibirien und Australien, in Betracht. Die Studien hatten Laufzeiten von 2,5 bis zu 36 Monaten und umfassten insgesamt 111 unterschiedliche Fließgewässer.

Aus den Ergebnissen der einzelnen Studien leiteten die Wissenschaftler eine Dosis-Wirkungs-Kurve ab, sprich einen Zusammenhang zwischen der Toxizität eines Pflanzenschutzmittels und der Menge an empfindlichen Organismen im Gewässer. Dies erlaubte einen Vergleich mit den Konzentrationen, die im Zulassungsprozess für Pflanzenschutzmittel als unbedenklich gelten. Das Ergebnis: Der bestehende Bewertungsprozess reicht nicht aus, um das Ökosystem Fluss nachhaltig vor den Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln zu schützen. Bei Konzentrationen, die laut Standardverfahren unbedenklich sind, wurde das Vorkommen empfindlicher Organismen noch um 27 bis 61 Prozent reduziert – je nachdem, ob es unbelastete Flussabschnitte oberhalb gab, die Effekte zum Teil puffern können.

Besonders gravierend ist für die Forscher, dass diese Wirkungen auch zur Reduktion von Ökosystem-Funktionen führten. Dies kann letztendlich zentrale Ökosystemdienstleistungen für menschliche Gesellschaften wie das Fischvorkommen oder die Gewässerreinheit beeinträchtigen.

Standardzulassungsverfahren zu einseitig

Die Gründe für dieses Ergebnis liegen für die Forscher klar auf der Hand: „Substanzzulassungen betrachten immer nur ein einzelnes Pflanzenschutzmittel“, verdeutlicht Ralf B. Schäfer vom Institut für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau. Allerdings kämen in der Natur die Stoffe nie isoliert vor, es wirkten immer mehrere Stoffe gemeinsam auf die Organismen ein und das durchaus wiederholt. „Die Standardtests für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ignorieren weitestgehend, dass in der Natur die „Tiere vielfältigem Stress ausgesetzt sind“, weist Matthias Liess vom UFZ auf ein weiteres Manko im Zulassungsprozess hin. Denn Stress, wie zum Beispiel durch Überschwemmungen, führt dazu, dass sich die Verletzlichkeit von Arten gegenüber Pflanzenschutzmitteln stark erhöht. Die derzeitigen Standardverfahren zur Pflanzenschutzmittelzulassung seien deshalb zu überdenken.

Die aktuelle Studie widerspricht auch einigen früheren Arbeiten, bei der die Effektschwellen auf Basis von Studien in künstlichen Forschungsanlagen im Freiland, so genannten Mesokosmen, untersucht wurden. Die jetzt bestimmten Effektschwellen liegen einen Faktor 10 bis 100 tiefer als im Zulassungsprozess angenommen und als sich aus vielen Mesokosmenstudien ergeben haben. Die Wissenschaftler führen die Diskrepanz zu den bisherigen Studien darauf zurück, dass zum einen bei diesen nur einzelne Substanzen und Stressoren getestet wurden, und zum anderen geeignete Methoden der Effekterfassung - wie am UFZ entwickelt – in der Risiko Bewertung nicht angewendet werden (Ecotoxicology DOI 10.1007/s10646-011-0689-y).

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sind nach Aussagen der Wissenschaftler auch deshalb besorgniserregend, weil eine vorangegangene Studie der Universität Koblenz-Landau, des UFZ und der Technischen Universität Bergakademie Freiberg gezeigt hat, dass Pflanzenschutzmittel selbst in großen Gewässern keinesfalls verdünnt werden und zu den wichtigsten Schadstoffen gehören. Auch zeigte diese Studie, dass der durch die EU-weite Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) geforderte gute chemische und gute ökologische Zustand in großen deutschen und europäischen Gewässern bis 2015 wahrscheinlich nicht erreicht wird, da Schadstoffe wie Pflanzenschutzmittel selbst die Sicherheitsfaktoren aus den Zulassungsverfahren überschreiten (Environmental Science and Technology, DOI: 10.1021/es2013006) und in vielen Gewässern die empfindlichen Gewässerorganismen durch Insektizide getötet werden (Ecological Applications doi: 10.1890/10-1993.1).

Handlungsempfehlungen für einen besseren Gewässerschutz

Da in der Landwirtschaft ein Verzicht auf Pflanzenschutzmittel auf absehbare Zeit nicht realisiert wird, haben die Wissenschaftler folgende Empfehlungen, um die Biodiversität in Flüssen besser zu schützen: Ausweitung der Randstreifen und Waldflächen in der Nähe von landwirtschaftlich beeinträchtigen Flüssen, Ausbau von Wasserrückhaltebecken, welche einige Pflanzenschutzmittel fast vollständig aus dem Wasser entfernen können, wie frühere Studien am Landauer Institut für Umweltwissenschaften ergeben haben. Und nicht zuletzt den verringerten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, um die 2009 vom Europäischen Parlament und vom EU-Rat verabschiedete Richtlinie für die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln einhalten zu können.

 

Die Studie in Environmental Science & Technology, 46, (9) 5134–5142:
Ralf B. Schäfer, Peter Carsten von der Ohe, Jes Rasmussen, Ben J. Kefford, Mikhail A. Beketov, Ralf Schulz and Matthias Liess: „Threshold for the Effects of Pesticides on Invertebrate Communities and Leaf Breakdown in Stream Ecosystems”.

Beteiligte Einrichtungen:
Institut für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau, Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung, Faculty of Science and Technology der University of Aarhus (Dänemark), Centre of Environmental Sustainability der University of Technology Sydney (Australien).


Study reveals: EU Approval for Pesticides does not Protect Water Resources

)Source of the English version: AlphaGalileo Foundation)

Actual pollution often vastly higher than calculated

The current process of the EU for the approval of pesticides, in particular against insect infestation, is based upon inadequate evaluation models. This is the result of a study conducted by the University of Koblenz-Landau. The study indicates that the concentrations of insecticides actually found in water resources are frequently higher than the theoretically calculated values forming the basis of the approval process. The adequate protection of surface waters requires that the procedure be completely re-examined and revised.

Pesticides sprayed onto fields are, for example, flushed by rain into rivers and oceans. In larger amounts they lead to the demise of flora and fauna: the bio-diversity suffers substantial damage. Within the scope of a legally established approval process the EU is therefore seeking to determine the effects of pesticides. Since the end of the 1990s mathematical simulation models (FOCUS models) have been used to predict the concentrations in water resources which arise due to the use of pesticides in agriculture. In Europe, a pesticide can be approved only when the predicted concentrations are below the ecologically critical effect thresholds. However, until now the agreement of the predictions with practice has never been thoroughly validated.

Using the example of insecticides which are particularly toxic for most animals living in water, the Institute for Environmental Sciences in Landau has now put this process to the test. In 122 cases the measured values were compared with the predicted values. The result is alarming: there is no statistical and not even any apparent relationship between the values. In up to four of ten cases the actual pollution of the water resources is higher than calculated. With newer insecticides, this quota is even greater.

"The results of the study clearly show that the calculation models in their current form are unsuited for the protection of water resources", states Professor Ralf Schulz of the Institute for Environmental Sciences at the University of Koblenz-Landau. "In view of these new results the risk assessment for many active substances approved in the EU must therefore be re-examined. This is the duty of the relevant approval authorities."

Besides faulty calculation models, other possible causes for the substantially higher values found in the field situation may be: failure of farmers to comply with regulations for the application of pesticides and insufficient instructions for use by the manufacturer. "Either the approval of insecticides or agricultural practice is subject to considerable errors – presumably both", adds Schulz. "As permit owners, industry must meet its environmental obligations and play its part in clarifying the causes. In any case, in Germany also we need more independently derived data on the pollution of water resources in agricultural areas with pesticides."

As long as the actual causes remain unclarified, as a precautionary measure the environmental concentrations of insecticides predicted within the scope of the approval process should be increased by a factor of ten in order to adequately protect water resources. Furthermore, it is possible to require a buffer strip of five to ten metres between fields and water bodies not used for agricultural purposes. However, this was not included in the revision of the plant protection act in Germany at the end of 2011.

The current regulations for the approval of agricultural pesticide use in the EU was amended only in 2009 and, following this, incorporated in German national law by a new version of the plant protection act.

 



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Website: http://www.uni-koblenz-landau.de

Published: August 8, 2012



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