Germany
June 11, 2009
Quelle:
bioSicherheit
Ein
Forscherteam unter Leitung der Technischen Universität München
hat in den letzten drei Jahren den Einfluss verschiedener
Kartoffelsorten auf die Bodenqualität untersucht. Ein breites
Sortenspektrum wurde in die Untersuchungen einbezogen:
Klassische Sorten, gentechnisch veränderte (gv-)Linien sowie
deren Wildtyp. Die gv-Kartoffeln reichern in ihren Knollen
Zeaxanthin an, ein Carotinoid, das vor der Altersblindheit
schützen soll. Über die Ergebnisse und deren Bedeutung für die
Sicherheitsforschung sprach bioSicherheit mit dem Leiter der
Forschungsgruppe Michael Schloter.
bioSicherhehit: Um welche Fragestellungen ging es in
Ihrem Forschungsprojekt?
Michael Schloter: Wir hatten zwei
Untersuchungsschwerpunkte: Zum einen wollten wir wissen, ob die
gentechnische Veränderung über die beabsichtigte Anreicherung
von Zeaxanthin hinaus zu weiteren unerwarteten Veränderungen im
Phänotyp der Pflanze führt. Zum anderen interessierte uns der
Einfluss der genetischen Modifikation auf die Funktion
mikrobieller Gemeinschaften im Wurzelraum und in der Streu. Wir
sind dabei von der Hypothese ausgegangen, dass eine
gentechnische Veränderung – auch wenn sie zielgerichtet nur ein
Gen betrifft - im Stoffwechsel der Pflanze zusätzliche
Änderungen verursachen kann.
Die Zeaxanthin-Kartoffel diente uns dabei als Modellpflanze, um
mögliche Sicherheitsrisiken zu überprüfen, die bei der
Freisetzung transgener Pflanzen für die Bodenqualität von
Bedeutung sind.
bioSicherheit: Was sind die wichtigsten Ergebnisse ihrer
Arbeit?
Michael Schloter: In Gewächshausversuchen haben wir
festgestellt, dass die gentechnische Veränderung der
Zeaxanthin-Kartoffel zu einer Veränderung des pflanzlichen
Phänotyps führt, der über die beabsichtigte Modifikation
hinausgeht. Das könnte daran liegen, dass die Pflanze versucht,
die veränderte genetische Netzwerkstruktur über alternative
Stoffwechselwege zu kompensieren.
So unterschieden sich z. B. die transgenen Pflanzen und der
Wildtyp in der Expression mehrerer Gene des
Sekundärstoffwechsels . Aber auch Wurzelwachstum und
–morphologie können zwischen Wildtyp und transgenen Linien
verändert sein. Betrachtet man jedoch die Ergebnisse über ein
breites Spektrum klassischer Sorten, dann sind die Unterschiede
zwischen einzelnen Sorten im Bezug auf die untersuchten Merkmale
größer als die zwischen dem Wildtyp und der transgenen Linie.
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Form und Farbe der Knollen im
untersuchten Sortenspektrum: Der Wildtyp Baltica,
die gentechnisch veränderten Linien (SR47 und SR 48)
sowie verschiedene klassische Sorten. |
bioSicherheit: Und was
ergaben die Untersuchungen im Wurzelraum?
Michael Schloter: Die Rhizosphäre wird u. a. stark durch
die Wurzelausscheidungen der Pflanzen oder auch durch
Nährstoffe, die beim Absterben der Wurzel freigesetzt werden,
beeinflusst. Das kann zu veränderten Lebensbedingungen für die
dort lebenden Mikroorganismen führen. Mikroorganismen sorgen für
wichtige Umsetzungsprozesse im Boden wie z. B. den Kohlenstoff-
oder Stickstoffumsatz und beeinflussen somit die Qualität eines
Bodens. Hier war unsere Hypothese: Falls neben dem Zielgen
weitere Gene in der Pflanze beeinflusst werden, dann könnte dies
auch zu Veränderungen von Umsetzungsprozessen im wurzelnahen
Raum führen.
Wir konnten beobachten, dass der veränderte pflanzliche Phänotyp
zu Unterschieden in Struktur und Funktion der
Bodenmikroorganismen in der Rhizosphäre führt und damit auch zu
veränderten Stoffumsetzungsraten. Allerdings waren auch hier die
Unterschiede zwischen Wildtyp und transgenen Pflanzen deutlich
geringer im Vergleich zu klassischen Sorteneffekten. Auch
spielten Standorteigenschaften und das jeweilige
Entwicklungsstadium der Pflanzen eine wichtige Rolle.
bioSicherheit: Insbesondere der Sorteneinfluss ist
erstaunlich groß. Woran liegt das?
Michael Schloter: Wir haben herausgefunden, dass durch
eine gentechnische Modifikation weitere Gene neben dem Zielgen
beeinflusst werden können. Doch bei einer klassischen Züchtung
werden ganze Genome gemischt. Das stellt einen ganz erheblichen
Eingriff in das Genom einer Pflanze dar. Entsprechend
unterschiedlich reagiert sie auch, besonders wenn dann noch
verschiedene Umwelteinflüsse auf die Pflanzen einwirken. Wenn
man die Transkription smuster zweier konventioneller
Kartoffelsorten vergleicht, z. B. die von Desiree und Baltica,
dann stellt man fest, das sie sehr unterschiedlich sind. Es ist
schon fast verwunderlich, dass in beiden Fällen am Ende eine
Kartoffel entsteht. Die klassische Züchtung ist längst nicht so
zielgerichtet, wie eine genetische Modifikation.
bioSicherheit: Was bedeuten Ihre Ergebnisse für die
Sicherheitsbewertung transgener Pflanzen?
Michel Schloter: Bei der Sicherheitsbewertung
gentechnisch veränderter Pflanzen muss insbesondere bei solchen
Pflanzen, die in ihrem Stoffwechsel verändert wurden, nach
Effekten gesucht werden, die nicht unmittelbar mit der
Modifikation in Zusammenhang stehen. Diese Modifikationen können
sich z. B. als unbeabsichtigte Veränderungen im Phänotyp äußern.
Das war ja auch die Hypothese für unsere Untersuchungen.
Wir müssen aber auch nach der Relevanz solcher Veränderungen
fragen. Denn nur über die "natürliche" Variabilität
hinausgehende Unterschiede sind sicherheitsrelevant. Deshalb
haben wir in unseren Untersuchungen verschiedene Standorte und
einen unterschiedlichen Einsatz an Dünge- und
Pflanzenschutzmitteln sowie ein breites Sortenspektrum
berücksichtigt.
bioSicherheit: Seit mehr als zehn Jahren befassen Sie
sich mit Fragestellungen zur Bodenökologie. Haben Sie
Anhaltspunkte gefunden, dass transgene Kartoffeln einen Einfluss
auf die Bodenqualität haben?
Michael Schloter: Wir haben Erfahrungen mit Kartoffeln,
die Amylopektin und Zeaxanthin anreichern. In beiden Fällen sind
es Substanzen, die in der Kartoffel gebildet werden. Daher
wurden keine neuen Gene in das Genom eingebracht, sondern
vorhandene Gene ausgeschaltet, die normalerweise dafür sorgen,
dass diese Substanzen ganz oder teilweise wieder
verstoffwechselt werden. Bei diesen beiden Linien haben wir
keine Effekte gefunden, die über die normalen Sortenunterschiede
hinausgehen.
In den letzten zehn Jahren Bodenökologie haben wir uns zu 75
Prozent mit methodischen Weiterentwicklungen beschäftigt. Vor
Jahren haben uns noch die Werkzeuge gefehlt, um wichtigen
Fragestellungen zu spezifischen Funktionen in der Mikroflora
nachgehen zu können. Denn zuerst muss man die Funktionen der
Mikroorganismen kennen, erst dann kann man ihren Einfluss auf
die Bodenqualität erfassen. Ohne weitere Grundlagenforschung in
der Bodenökologie kommen wir mit wichtigen Fragestellungen in
der Sicherheitsforschung nicht weiter.
bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch |
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