December 5, 2008
Source:
bioSicherheit
http://www.biosicherheit.de/de/aktuell/670.doku.html
Der Rat der EU-Umweltminister hat die lang erwartete
Entschließung zur Grünen Gentechnik verabschiedet. Der Text, an
dem bis zuletzt verhandelt wurde, legt Grundsätze und Verfahren
fest, nach denen Zulassung, Sicherheitsbewertung und Anbau
gentechnisch veränderter Pflanzen in der EU geregelt werden.
Noch im Frühsommer hatte Frankreich, das bis Ende des Jahres den
Vorsitz des EU-Rates einnimmt, eine umfassende Revision
angekündigt. Doch zumindest kurzfristig wird sich nichts
Grundsätzliches ändern. Die Minister unterstreichen in ihrer
Entschließung, dass die Zulassungen gentechnisch veränderter
Pflanzen ohne unangemessene Verzögerungen fortgeführt werden.
Der Druck war groß: Frankreich wollte die EU-Zulassungsverfahren
für gentechnisch veränderte Pflanzen neu ordnen und auch der
damalige Landwirtschaftsminister Seehofer hatte sich im Frühjahr
dafür ausgesprochen, gv-Pflanzen etwa wie Arzneimittel allein
auf wissenschaftlicher Grundlage durch eine Fachbehörde zu
genehmigen - ohne anschließende politische Abstimmung unter den
Mitgliedstaaten.
Seit Jahren gelingt es den Mitgliedstaaten nicht, beim Vollzug
der von ihnen beschlossenen Gentechnik-Gesetze eine gemeinsame
Linie zu finden. Entscheidungen scheitern regelmäßig an der nach
den EU-Verträgen erforderlichen qualifizierten Mehrheit, da sich
die in Fragen der Gentechnik tief zerstrittenen Mitgliedstaaten
gegenseitig blockieren.
Doch trotz aller politischen Absichtserklärungen wird sich an
dieser Situation kaum etwas ändern. Da jedes Land einen
Ratsbeschluss mit seinem Veto verhindern kann, spiegelt die am
Ende angenommene Entschließung der Umweltminister den kleinsten
gemeinsamen Nenner von 27 Mitgliedstaaten, die in Sachen
Gentechnik höchst unterschiedlich agieren.
Ohnehin war der rechtliche Spielraum für substanzielle
Änderungen der derzeitigen Zulassungsverfahren gering. Ihre
Revision wäre nur mit einem langwierigen
Gesetzesänderungsverfahren möglich, dessen Ausgang ungewiss ist.
So zielt die Entschließung der Umweltminister vor allem auf die
Arbeitsweise der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit
(EFSA ) und die Leitlinien, nach denen sie die wissenschaftliche
Sicherheitsbewertung durchführt. Ein generelles Verbot von
gv-Pflanzen oder ein neues Zulassungsmoratorium war selbst für
die gentechnik-kritischen Länder wie Österreich oder
Griechenland keine politische Option. Denn damit würde die EU
gegen die WTO-Verträge verstoßen und ein weiteres
Vertragsverletzungsverfahren riskieren.
Leitlinien zur Sicherheitsbewertung: Generalrevision bis 2010
Den bestehenden Rechtsrahmen, der für ein "hohes Schutzniveau
gegenüber möglichen Risiken von gv-Pflanzen sorgt", wollen die
Umweltminister denn auch nicht antasten. In ihrer Entschließung
begrüßen sie den Auftrag der EU-Kommission an die EFSA, die
Leitlinien zur Bewertung der Umweltsicherheit von gv-Pflanzen zu
überprüfen und weiterzuentwickeln. Dieser Prozess, an dem sich
die Mitgliedstaaten aktiv beteiligen sollen, soll beschleunigt
und möglichst noch vor 2010 abgeschlossen werden.
Die Leitlinien sollen zukünftig konkrete Vorgaben enthalten, wie
mögliche Langzeiteffekte von gv-Pflanzen auf die Umwelt besser
abgeschätzt werden können, etwa die Auswirkungen von Bt‑Pflanzen
auf Nicht‑Zielorganismen . Stärker zu berücksichtigen sind auch
die jeweiligen regionalen Umweltbedingungen in den Anbauregionen
einer neuen gv-Pflanze.
Bei bestimmten Fällen, so die Entschließung des Rates, sollte
sich die Sicherheitsbewertung nicht nur auf die unmittelbaren
Eigenschaften einer gv-Pflanze konzentrieren, sondern auch
Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Praxis und deren
Umweltfolgen mit einbeziehen, bei herbizidresistenten
gv-Pflanzen etwa mögliche Veränderungen im Gebrauch von
Herbiziden und bei der Unkrautkontrolle. Gv-Pflanzen, die
Bt‑Protein bilden und sich damit gegen Schädlinge schützen,
sollen auf dem Niveau vergleichbarer Pflanzenschutzmittel
zugelassen werden.
Die Umweltminister unterstützen die EU-Kommission in ihrem
Vorhaben, die erweiterten Leitlinien dadurch aufzuwerten, dass
die Mitgliedstaaten formell darüber abstimmen sollen.
Anders als von Frankreich gefordert, werden vorerst keine
sozio-ökonomischen Kriterien bei der Zulassung von gv-Pflanzen
herangezogen. Die Umweltminister fordern die Mitgliedstaaten
auf, bis Januar 2010 relevante Informationen über positive wie
negative sozio-ökonomische Veränderungen zu sammeln, die durch
die Markteinführung von gv-Pflanzen hervorgerufen werden. Bisher
ist es strittig, was unter solchen Kriterien zu verstehen ist
und vor allem wie sie objektiv und auf wissenschaftlicher Basis
zu messen sind.
Schwellenwerte im Saatgut: So niedrig wie möglich
Immer wieder haben Kommission und Mitgliedstaaten die
Entscheidung darüber hinausgezögert, wie hoch der Anteil
zufälliger, technisch unvermeidbarer GVO-Beimischungen im
Saatgut sein soll. 2003 hatte die Kommission 0,3 Prozent für
Raps und 0,5 Prozent für Mais vorgeschlagen, war damit aber an
der Uneinigkeit der Mitgliedstaaten gescheitert.
Auch die Entschließung der Umweltminister nennt keine Zahlen.
Sie unterstreicht erneut, dass Schwellenwerte für Saatgut
notwendig seien. Diese sollten auf dem niedrigsten Niveau
festgesetzt werden, das für alle "Beteiligten der Warenkette
praktikabel" ist und die Wahlfreiheit dauerhaft sichert.
Regionale Anbauverbote: Nur auf wissenschaftlicher Grundlage
Allgemeine regionale Verbote zum Anbau zugelassener gv-Pflanzen
sind in der Entschließung der Umweltminister nicht vorgesehen.
Wie bisher sind Gentechnik-freie Zonen nur auf Basis
freiwilliger Vereinbarung möglich.
Schon jetzt ist es für die Mitgliedstaaten grundsätzlich
möglich, spezifische Maßnahmen zu ergreifen, um
Naturschutzgebiete oder empfindliche Ökosysteme vor möglichen
Beeinträchtigungen zu schützen, die von bestimmten gv-Pflanzen
ausgehen könnten. In Übereinstimmung mit EU-Recht und im
Hinblick auf das Vorsorgeprinzip können fallspezifische
Anbauauflagen bis hin zu Anbaueinschränkungen ausgesprochen
werden. Die Umweltminister unterstreichen jedoch noch einmal,
dass solche Maßnahmen sich aus wissenschaftlich fundierten
Umweltverträglichkeitsprüfungen ableiten müssen. |
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