Berlin, Germany
February 28, 2007
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Das
Bundeskabinett hat am 28. Februar 2007 das folgende
Eckpunktepapier "Die weitere Novellierung des
Gentechnikrechts – Eckpunkte für einen fairen Ausgleich der
Interessen in der vom Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz vorgelegten Fassung
beschlossen:
Die weitere Novellierung
des Gentechnikrechts – Eckpunkte für einen fairen Ausgleich
der Interessen
Die Gentechnik ist eine
Basisinnovation mit unterschiedlichen Anwendungsbereichen:
- Die sog. Rote
Gentechnik beschäftigt sich mit Anwendungen der
Gentechnik für die Medizin.
- Die sog. Grüne
Gentechnik betrifft die Züchtung und den Anbau von
gentechnisch veränderten Pflanzen zur Erzeugung von
Lebens- und Futtermitteln bzw. von nachwachsenden
Rohstoffen.
- Die sog. Weiße
Gentechnik bezieht sich auf industrielle Anwendungen
unter Einsatz von gentechnisch veränderten
Mikroorganismen.
Deutschland ist das Land mit
den meisten Biotechnologieunternehmen in Europa. Im Jahr
2005 erzielten rund 500 Unternehmen einen Umsatz von ca. 1,5
Mrd. Euro. Die meisten Unternehmen sind im Bereich der Roten
Biotechnologie tätig.
In Deutschland wurden im Jahre 2006 auf 947 Hektar
gentechnisch veränderte Pflanzen, die über eine Zulassung
zum Inverkehrbringen verfügen, angebaut. Es handelte sich
hierbei um die Maislinie MON810, die gegen das Schadinsekt
Maiszünsler resistent ist. Weltweit wurden auf ca. 102 Mio.
Hektar gentechnisch veränderte Pflanzen (vor allem Soja,
Mais, Raps und Baumwolle) in 22 Ländern angebaut, wovon rund
82 % auf die USA, Argentinien und Brasilien entfallen.
Für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) gelten strenge
rechtliche Bestimmungen. Gentechnische Anlagen unterliegen
der Genehmigungspflicht. Die gentechnischen Arbeiten in der
Anlage selbst bedürfen je nach Risikopotenzial einer
Anzeige, Anmeldung oder Genehmigung. Die Freisetzung von GVO
(Forschung und Entwicklung) sowie ihr Inverkehrbringen
(Vermarktung) erfordern ebenfalls eine Genehmigung. Hierbei
führen die zuständigen Behörden eine umfangreiche
Sicherheitsbewertung durch. Nur wenn keine Gefahr für die
menschliche Gesundheit und die Umwelt zu erwarten ist, darf
der GVO freigesetzt bzw. in Verkehr gebracht werden.
Die Gentechnik stößt in der Öffentlichkeit auf große
Aufmerksamkeit und wird unterschiedlich bewertet.
Umfragen von Meinungsforschungsinstituten und von
Eurobarometer zeigen, dass gegenwärtig die Mehrheit der
deutschen Bevölkerung gentechnisch veränderte Lebensmittel
ablehnt. Damit unterscheidet sich die öffentliche Meinung in
Deutschland kaum von der öffentlichen Meinung in anderen
europäischen Staaten. Viele Menschen sind besorgt, dass die
Gentechnik schädliche Auswirkungen auf ihre Gesundheit oder
auf die Umwelt haben könnte. Andererseits ergibt sich ein
differenziertes Meinungsbild, wenn nach Anwendungsbereich
und Verwendungsart der Gentechnik unterschieden wird. So
besteht z.B. gegenüber der Anwendung der Gentechnik für die
Medizin eine positive Einstellung in der Bevölkerung.
Die Lebensmittelwirtschaft (Landwirte,
Lebensmittelhersteller, Handel) bietet derzeit kaum
gentechnisch veränderte Lebensmittel an. Im ökologischen
Landbau geht dies auf prinzipielle Überlegungen zurück. Auch
sieht die Lebensmittelwirtschaft wegen der Haltung der
Mehrzahl der Verbraucherinnen und Verbraucher nur geringe
Absatzchancen für gentechnisch veränderte Lebensmittel.
Gentechnisch veränderte Futtermittel kommen hingegen
häufiger zum Einsatz. Die auf diese Weise erzeugten
tierischen Produkte müssen nach geltendem europäischem
Gemeinschaftsrecht nicht als gentechnisch verändert
gekennzeichnet werden.
Viele Forschungseinrichtungen und Pflanzenzuchtunternehmen
setzen hingegen auf gentechnisch veränderte Pflanzen. Die
Neuzüchtungen bieten interessante Perspektiven und sollen
einen Beitrag in den Bereichen Ernährung, Gesundheit und
nachwachsende Rohstoffe leisten. Die wichtigsten
Anwendungsbereiche der Grünen Gentechnik liegen derzeit noch
in der Entwicklung schädlingsresistenter oder
herbizidtoleranter Pflanzen. Eine Vielzahl von Projekten
beschäftigt sich aber bereits u. a. mit der Züchtung von
Pflanzen mit Umweltstresstoleranzen (Kälte, Trockenheit),
mit einer effektiveren Nutzung nachwachsender Rohstoffe und
der Produktion pharmazeutischer Proteine in Pflanzen. Die am
29. August 2006 von der Bundesregierung beschlossene
Hightech-Strategie
hat einen Schwerpunkt auf Innovationen in der Pflanzen- und
Biotechnologie gesetzt. Im Bereich des Innovationsfeldes
"Pflanze: Neue Wege in der Landwirtschaft und Industrie"
liegen Schwerpunkte in der Pflanzengenomforschung und in der
Grünen Gentechnik.
Angesichts der Chancen und der Risiken gilt es, einen fairen
Ausgleich der Interessen zu finden. Der Koalitionsvertrag
sieht vor, dass das Gentechnikrecht den Rahmen für die
weitere Entwicklung und Nutzung der Gentechnik in allen
Lebens- und Wirtschaftsbereichen setzen soll. Die Regelungen
sollen so ausgestaltet werden, dass sie Forschung und
Anwendung in Deutschland befördern. Der Schutz von Mensch
und Umwelt bleibt, entsprechend dem Vorsorgegrundsatz,
oberstes Ziel des deutschen Gentechnikrechts. Die
Wahlfreiheit der Landwirte und Verbraucher und die
Koexistenz der unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen
müssen gewährleistet sein.
Die Bundesregierung hat zur weiteren Novellierung des
Gentechnikrechts die folgenden Eck-punkte beschlossen:
1. Die Forschung voranbringen
Die Forschung im Bereich der
Pflanzenbiotechnologie soll vorangebracht werden. Dies gilt
sowohl für die Sicherheitsforschung und als auch für die
Entwicklungsforschung. Die Sicherheitsforschung muss
integraler Bestandteil der Forschung auf diesem Gebiet sein.
Für die Bundesregierung gilt der Vorsorgegrundsatz des
Schutzes von Mensch und Umwelt. Kritiker der Grünen
Gentechnik betonen, dass die Sicherheit von gentechnisch
veränderten Pflanzen und Lebensmitteln nicht ausreichend
erforscht sei. Daher sollte den offenen Fragen nachgegangen
werden.
Doch auch die Entwicklungsforschung ist zu stärken. Die
Grüne Gentechnik bietet interessante Perspektiven u. a. in
den Bereichen der Ernährung, der Versorgung mit Energie und
Rohstoffen und der pharmakologischen Produktion. Die globale
Entwicklung schreitet voran, unabhängig davon, ob in
Deutschland Entwicklungsforschung betrieben wird oder nicht.
Deutschlands Stärke liegt in der Innovation. Diese Stärke
sollte auch eingesetzt werden. Deshalb sollte Deutschland
sich nicht aus der Entwicklung neuer gentechnisch
veränderter Pflanzen zurückziehen und diesen
Wachstumsbereich anderen überlassen. Dabei soll Forschung
nicht nur im Labor, sondern auch im Freiland möglich sein.
Ein Beitrag, der die Forschung im Bereich der
Pflanzenbiotechnologie voranbringt, besteht darin,
Verfahrenserleichterungen, beispielsweise das sog.
vereinfachte Verfahren, als Dauerrecht festzuschreiben.
Hierdurch wird die Forschungsfreisetzung von GVO, mit denen
bereits ausreichende Erfahrungen gesammelt worden sind,
deutlich erleichtert. Die Entwicklung und Anwendung eines
neuen sog. differenzierten Verfahrens auf EU-Ebene sollte
vorangetrieben werden.
Die Bundesregierung hat geprüft, ob Ernteprodukte, die in
Nachbarschaft zu einer Forschungsfreisetzung erzeugt worden
sind und Einkreuzungen oder sonstige Einträge dieser
Freisetzung aufweisen, vom Erfordernis einer
Inverkehrbringensgenehmigung befreit werden können. Die
EU-Kommission hat deutlich gemacht, dass sie in einer
solchen Regelung einen Verstoß gegen europäisches Recht
sehen würde. Es ist somit davon auszugehen, dass sie eine
solche Regelung im Notifizierungsverfahren beanstanden
würde, mit der Folge einer sechsmonatigen Stillhaltefrist
und des Risikos eines Vertragsverletzungsverfahrens.
Dieses erhebliche europarechtliche Risiko soll vermieden
werden. Statt dessen soll Folgendes gelten:
- Auf Vollzugsebene wird
eine Verwertung der Ernteprodukte des Nachbarn, die
GVO-Anteile aus einer Forschungsfreisetzung aufweisen,
zugelassen, wenn sichergestellt ist, dass die GVO nicht
in die Lebensmittel- und Futtermittelkette gelangen und
ihre Vermehrungsfähigkeit verlieren (z.B. thermische
Verwertung, industrielle Verarbeitung).
- Entsprechend der
geltenden Rechtslage wird klargestellt, dass die
verschuldensunabhängige Haftung des GVO-Verwenders nach
§ 36a Gentechnikgesetz nicht alle mit der
GVO-Auskreuzung in irgendeinen Zusammenhang zu
bringenden Vermögenseinbußen erfasst, sondern auf die
aus der Grundstücksbeeinträchtigung resultierenden
Schäden begrenzt ist. Eine Gesetzesänderung ist
diesbezüglich nicht beabsichtigt.
- In die amtliche
Methodensammlung nach § 28b Gentechnikgesetz sollen
spezifische Nachweismethoden für die jeweils
freigesetzten GVO aufgenommen werden. Auf diese Weise
wird eine einheitliche Behördenpraxis herbeigeführt und
die Rechtssicherheit gesteigert.
Für Freisetzungen, die mit
öffentlichen Bundesmitteln finanziert werden, wird geprüft,
ob Haftungsfälle aufgrund von Auskreuzungen aus genehmigten
Freisetzungen durch den Bund abgedeckt werden können.
Entsprechende Ausnahmen von der bestehenden Zuwendungspraxis
werden geprüft.
2. Verfahren pragmatisch
gestalten
Für Arbeiten in gentechnischen
Anlagen wollen wir deutliche Verfahrenserleichterungen
vornehmen. Gentechnische Anlagen sind in vier
Sicherheitsstufen eingeteilt (S1 bis S4). Gentechnische
Arbeiten in gentechnischen Anlagen der Sicherheitsstufe S1
sollen nur noch anzuzeigen statt anzumelden sein. Der
Betreiber darf dann nach der Anzeige mit den gentechnischen
Arbeiten sofort beginnen. Weitere gentechnische Arbeiten der
Sicherheitsstufe S2, also Folgearbeiten zur genehmigten
erstmaligen Arbeit, sollen ebenfalls nur anzeigepflichtig
sein. Mit der Anzeige werden erleichterte administrative
Anforderungen bezüglich der einzureichenden Unterlagen
verbunden, soweit dies nach der Richtlinie 90/219/EWG
möglich ist.
Das Gentechnikgesetz erlaubt für als sicher eingestufte
gentechnisch veränderte Mikroorganismen, die in
gentechnischen Anlagen verwendet werden, Ausnahmen von den
Regelungen des Gentechnikgesetzes (§ 2 Abs. 2). Von dieser
Ausnahmemöglichkeit wird Gebrauch gemacht. Zusätzlich soll
diese Ausnahmemöglichkeit auf andere GVO, die dieselben
Sicherheitsanforderungen erfüllen und in gentechnischen
Anlagen verwendet werden, ausgedehnt werden. Dabei kann wie
bei Mikroorganismen auf besondere Aufzeichnungs-pflichten
verzichtet und eine spezifische Meldepflicht eingeführt
werden. Die Haftungsvorschriften des Gentechnikgesetzes
bleiben wie bei Mikroorganismen unberührt.
Durch die Gesetzesnovelle von 2004 ist die Zentrale
Kommission für die Biologische Sicherheit in zwei Ausschüsse
aufgeteilt und die Zahl der Mitglieder nahezu verdoppelt
worden. Angesichts der aufgetretenen praktischen
Schwierigkeiten sollen die beiden Ausschüsse wieder in ein
Gremium zusammengeführt werden; dabei wird der
freilandökologische Sachverstand der Kommission personell
hinreichend sichergestellt.
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit wird Leitlinien erarbeiten mit dem
Ziel, die Zulassungsverfahren für Forschungsfreisetzungen zu
erleichtern.
3. Die gute fachliche Praxis
definieren
Grundvoraussetzung für einen
fairen Ausgleich der Interessen ist, dass die Wahlfreiheit
der Anbieter und der Verbraucherinnen und Verbraucher
gewahrt wird, Produkte mit oder ohne gentechnisch
verändertes Material zu wählen. Daher muss die
wirtschaftliche Koexistenz sichergestellt sein, unter der
das verträgliche Nebeneinander gentechnisch veränderter,
konventioneller und ökologischer Kulturen verstanden wird.
Das Gentechnikgesetz enthält nur allgemeine Vorgaben, wie
der Erzeuger gentechnisch veränderter Pflanzen eine
wesentliche Beeinträchtigung seiner Nachbarn vermeiden soll.
Um diese Vorgaben handhabbar zu machen, soll eine
Rechtsverordnung erstmals in Deutschland die für die
wirtschaftliche Koexistenz relevanten Aspekte der guten
fachlichen Praxis bei der Erzeugung gentechnisch veränderter
Pflanzen definieren.
Der für alle Pflanzenarten geltende Teil der
Rechtsverordnung soll die folgenden Anforderungen enthalten:
- Der Erzeuger
gentechnisch veränderter Pflanzen muss Kontakt zu seinen
Nachbarn aufnehmen, um diese über seine Anbaupläne zu
informieren und seine Anbaupläne auf die Anbaupläne
seiner Nachbarn abzustimmen. Er muss hierbei diejenigen
Anbaupläne berücksichtigen, die ihm innerhalb eines
Monats mitgeteilt werden.
- Der Erzeuger
gentechnisch veränderter Pflanzen muss
Sorgfaltsmaßnahmen im Hinblick auf Feldbestand,
Lagerung, Beförderung, Ernte, eingesetzte Gegenstände
und Durchwuchs ergreifen sowie Aufzeichnungen führen.
Pflanzenartspezifische
Regelungen sind für den Anbau von gentechnisch verändertem
Mais vorgesehen. In der Rechtsverordnung wird ein
Mindestabstand festgelegt werden, der zwischen der
Anbaufläche mit gentechnisch verändertem Mais und dem Rand
einer Anbaufläche mit nicht gentechnisch verändertem Mais
einzuhalten ist. Die Pflicht, Vorsorge gegen wesentliche
Beeinträchtigungen von Anbauflächen zur Saatguterzeugung zu
treffen, bleibt unberührt.
Bei der Festlegung des Mindestabstands soll sowohl den
Erzeugern von gentechnisch verändertem Mais als auch den
Nachbarn möglichst große Sicherheit vor wesentlichen
Beeinträchtigungen und eventuellen Haftungsfolgen gegeben
werden. Der von der Verordnung geforderte Mindestabstand
muss folgenden Anforderungen gerecht werden:
- Er muss sicherstellen,
dass in der Praxis eine wesentliche Beeinträchtigung des
Nachbarn grundsätzlich unterbleibt und auch der
ökologische Landbau möglich ist;
- er muss den
spezifischen Eigenschaften der unterschiedlichen
Pflanzenarten Rechnung tragen;
- er muss aus den
neuesten und aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen
insbesondere der Ressortforschung des
Bundeslandwirtschaftsministeriums abgeleitet werden;
- er muss so bemessen
sein, dass der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen
in Deutschland nicht faktisch unmöglich gemacht wird.
Das
Bundeslandwirtschaftsministerium hält nach seinem
derzeitigen Erkenntnisstand einen Abstandswert von 150
Metern für angemessen. Mit diesem Wert soll dabei auch dem
Umstand Rechnung getragen werden, dass die Erfahrungen mit
der Koexistenz in der Praxis des kommerziellen Anbaus
gentechnisch veränderter Sorten noch sehr begrenzt sind. Mit
zunehmendem Erkenntnisfortschritt über das
Auskreuzungsverhalten von gentechnisch verändertem Mais wird
der Abstandswert überprüft und ggf. geändert werden. Die
Ressortforschung des Bundeslandwirtschaftsministeriums wird
aufgefordert, die Forschung zur Koexistenz fortzusetzen und
regelmäßig über die Ergebnisse zu berichten. Der genannte
Wert liegt im Vergleich mit bestehenden oder vorgesehenen
Vorschriften in anderen EU-Mitgliedstaaten im Mittelfeld
(vgl. Anlage).
Im Gentechnikgesetz wollen wir Möglichkeiten eröffnen, dass
durch private Absprachen von den Vorgaben in Gesetz und
Rechtsverordnung hinsichtlich der wirtschaftlichen
Koexistenz abgewichen werden kann, der vorgeschriebene
Abstand also mit Zustimmung des Nachbarn verringert werden
kann. Dies darf nicht dazu führen, dass vorgegebene
Mindestabstände gegenüber Dritten oder fachgesetzliche
Anforderungen nicht eingehalten werden.
Eine wichtige Vorfrage für die Ausgestaltung der
Koexistenzmaßnahmen sind Kennzeichnungsschwellenwerte für
GVO-Anteile im Saatgut. Da Saatgut am Anfang der
Produktionskette steht, liegt in der Festschreibung eines
solchen Schwellenwertes eine wichtige Weichenstellung für
die Koexistenz. Es ist unerlässlich, dass ein solcher
Schwellenwert EU-weit einheitlich gilt. Bei der Festlegung
dieses Schwellenwertes wird sich Deutschland für einen
möglichst niedrigen, gleichwohl praktikablen Wert einsetzen.
Dieser Wert
- muss dem Bedürfnis
nach Rechtssicherheit in der Kontrollpraxis hinsichtlich
Probenahme und Auswertung Rechnung tragen,
- muss sicherstellen,
dass der Schwellenwert für die Kennzeichnung von Lebens-
und Futtermitteln von 0,9 % eingehalten werden kann,
wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, dass es neben
dem Saatgut weitere Eintragswege für GVO im Erntegut
gibt,
- darf keine von der
Saatgutwirtschaft in der Praxis nicht erfüllbaren
Anforderungen stellen,
- darf nicht dazu
führen, dass der zur Vermeidung wesentlicher
Beeinträchtigungen vom Erzeuger gentechnisch veränderter
Pflanzen einzuhaltende Mindestabstand wegen der
möglichen Vorbelastung der Ernte des Nachbarn so
angehoben werden muss, dass in Deutschland der Anbau von
gentechnisch veränderten Pflanzen nur noch in wenigen
Regionen möglich wäre.
4. Die Betroffenen
informieren – Transparenz sichern
Die Betroffenen haben ein
berechtigtes Interesse, informiert zu werden, wenn sie mit
der Grünen Gentechnik in Berührung kommen. Allerdings ist es
in der Vergangenheit wiederholt zu Zerstörungen von Feldern
mit gentechnisch veränderten Pflanzen gekommen. Die
Bundesregierung verurteilt diese widerrechtlichen
Aktivitäten und fordert dazu auf, sich gewaltfrei und
sachlich mit Forschung und Anwendung dieser Technologie
auseinanderzusetzen.
Dem Informationsinteresse soll dadurch Rechnung getragen
werden,
- dass die Nachbarn vom
Erzeuger gentechnisch veränderter Pflanzen über den
Anbau aktiv zu benachrichtigen sind,
- dass zwar im
öffentlichen Teil des Standortregisters nur die
Gemarkung angegeben wird, aber jedem, der ein Interesse
darlegt und bei dem nicht Tatsachen die Vermutung
begründen, dass die Information der Erleichterung einer
Feldzerstörung dienen soll, Auskunft über das Grundstück
mit Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen erteilt
wird; dies gilt insbesondere für die Nachbarn und Imker
in der betreffenden Region.
Auf europäischer Ebene sollte
eine praktikable und unbürokratische Kennzeichnung aller
Produkte, die unter Einsatz von GVO hergestellt worden sind,
angestrebt werden. Damit würde einer von
Verbraucherschutzseite erhobenen Forderung nach mehr
Transparenz auch bei tierischen Produkten, ähnlich wie bei
pflanzlichen Produkten, Rechnung getragen. Honig ist nicht
kennzeichnungspflichtig, da ein eventueller Anteil von
gentechnisch veränderten Pollen am Gesamtprodukt regelmäßig
deutlich unter 0,9 % liegt und zufällig oder technisch
unvermeidbar ist.
5. Die Haftungsregelungen
präzisieren
Die Bundesregierung ist dem
Auftrag aus der Koalitionsvereinbarung nachgekommen, mit den
Wirtschaftsbeteiligten die Möglichkeit eines Ausgleichsfonds
und einer Versicherungslösung für Schäden, die trotz
Einhaltung der Regeln der guten fachlichen Praxis eintreten,
auszuloten. Ein von den Wirtschaftsbeteiligten getragener
Ausgleichsfonds wird von den Pflanzenzucht- und
Biotechnologieunternehmen allerdings abgelehnt. Auch die
Versicherungswirtschaft sieht sich mangels ausreichender
Erfahrungen, die für eine Risikokalkulation unerlässlich
sind, derzeit nicht in der Lage, einen Versicherungsschutz
anzubieten. Die Wirtschaftsverbände der Pflanzenzucht- und
Biotechnologieunternehmen streben stattdessen eine
Selbstverpflichtung an, die die Landwirte von
Haftungsrisiken für Schäden, die trotz Einhaltung der guten
fachlichen Praxis nicht vollständig auszuschließen sind,
entlastet.
Der Grundsatz, dass derjenige, der durch die Einträge von
gentechnisch veränderten Pflanzen einen Schaden erlitten
hat, diesen Schaden ersetzt bekommen soll, gilt weiterhin.
Es bleibt somit bei der Haftung sowohl für Verschulden
(deliktischer Schadensersatzanspruch) als auch ohne
Verschulden (nachbarschaftsrechtlicher Ausgleichsanspruch).
In der Diskussion über die Haftungsnorm des § 36a
Gentechnikgesetz wurde allerdings auf interpretatorische
Unsicherheiten hingewiesen, die aus Gründen der
Rechtsklarheit beseitigt werden sollen. Es sind die
folgenden Präzisierungen zu prüfen:
- Der offene Tatbestand
der wesentlichen Beeinträchtigung ("insbesondere") wird
durch eine abschließende Aufzählung ersetzt werden; eine
Haftungsverkürzung oder -erweiterung gegenüber dem
geltenden Recht ist nicht beabsichtigt.
- Klarstellung, dass die
gesamtschuldnerische Haftung nicht über die von der
Rechtsprechung anerkannten Fälle hinausgeht.
Voraussetzung ist, dass auf Grundlage der geltenden
Beweislastregeln nach den tatsächlichen Umständen des
Einzelfalls, also insbesondere nach der räumlichen Lage
und der Größe der jeweiligen Felder, jeder der Nachbarn
die wesentliche Beeinträchtigung verursacht haben kann
und sich nur nicht ermitteln lässt, welcher der Nachbarn
die wesentliche Beeinträchtigung tatsächlich ganz bzw.
zu welchem Anteil verursacht hat.
Zu diesen Fragen soll im Gesetzgebungsprozess zusätzliche
wissenschaftliche Expertise herangezogen werden.
Imker haften nicht für Einträge von gentechnisch veränderten
Pollen in konventionelle oder ökologische Kulturen, da sich
der Flug der Honigbienen nicht kontrollieren lässt.
6. Den Naturschutz gewährleisten
Der Schutz von Mensch und
Umwelt bleibt, entsprechend dem Vorsorgegrundsatz, oberstes
Ziel des deutschen Gentechnikrechts.
Soweit die Inverkehrbringensgenehmigung Bestimmungen über
den Schutz von Umwelt und Natur enthält, soll sich der
GVO-Verwender bei der Naturschutzbehörde erkundigen, ob auf
den Standort des Anbaus ein in der Genehmigung geregelter
Sachverhalt zutrifft und daher zu beachten ist.
Es bleibt bei der bisherigen Praxis, dass sich die
FFH-Verträglichkeitsprüfung nach § 34a des
Bundesnaturschutzgesetzes am Schutzzweck bzw. den
Erhaltungszielen des jeweiligen Natura 2000-Gebietes
ausrichtet.
Anlage
Übersicht zu bestehenden
oder vorgesehenen Vorschriften über Mindestabstände für
gentechnisch veränderten Mais in anderen EU-Mitgliedstaaten
Staat |
Abstand gegen über konventionellen Nachbarn |
Abstand gegenüber anderen Nachbarn |
Dänemark (Verordnung) |
200 m |
dito |
Niederlande (Verordnung) |
25 m |
gentechnikfrei/ökologisch: 250 m |
Portugal (Verordnung) |
200 m; bei
Mantelsaat (24 Reihen konv. Mais): 0 m |
ökologisch: 300 m;
bei Mantelsaat (28 Reihen konv. Mais): 50 m |
Tschechien (Verordnung) |
70 m; 1 Reihe
Mantelsaat (Mindestbreite 0,7 m) ersetzt 2 m Abstand |
ökologisch: 200 m;
1 Reihe Mantelsaat (Mindestbreite 0,7 m) ersetzt 2 m
Abstand; jedoch mindestens 100 m Abstand |
Lettland (Gesetzentwurf) |
200 m |
ökologisch: 400 m |
Litauen (Verordnungsentwurf) |
200 m (und 3 m
konv. Mais als Mantelsaat) |
dito |
Luxemburg (Verordnungsentwurf) |
800 m |
dito |
Polen (Verordnungsentwurf) |
200 m |
ökologisch: 300 m |
Slowakei (Verordnungsentwurf) |
200 m; 1 Reihe
Mantelsaat (mind. 6 Reihen) ersetzen 2 m Abstand |
ökologisch: 300 m;
1 Reihe Mantelsaat (mind. 6 Reihen) ersetzt 2 m
Abstand |
Spanien (Verordnungsentwurf) |
220 m (und 4
Reihen konv. Mais als Mantelsaat); bei versetzten
Blühzeiten: 0 m (genehmigungspflichtig) |
Saatgut: 300 m |
Ungarn (Verordnungsentwurf) |
400 m (nach
örtlichen Gegenheiten bis 800 m) |
dito |
Weitere Links zum Thema:
Übersichtsseite Gentechnik
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Bundesminister Seehofer stellt
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Anlässlich der Verabschiedung
des Eckpunktepapiers zur Grünen
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heute in Berlin erklärte Horst
Seehofer,
Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und
Verbraucherschutz, dass der
Schutz von Mensch und Umwelt das
oberste Ziel des deutschen
Gentechnikrechts bleibe.
„Ich bin mir bewusst darüber,
wie kontrovers die Diskussion um
die Grüne Gentechnik in unserem
Land geführt wird. Es ist daher
kein leichtes Unterfangen, zu
einem fairen Ausgleich der sehr
unterschiedlichen Interessen zu
kommen. Ich denke aber, dass wir
mit unserem Eckpunktepapier
genau das geschafft haben,“
sagte Seehofer anlässlich eines
Pressegesprächs zu diesem Thema
heute in Berlin. Er verwies auch
darauf, dass im Kabinett das
Eckpunktepapier einstimmig
beschlossen wurde. „Dies ist
eine gute Basis für die weitere
Arbeit am Gentechnikrecht“ so
der Minister.
Im Eckpunktepapier wird die
Haltung der Bundesregierung zur
Forschung im Bereich der Grünen
Gentechnik, zur guten fachlichen
Praxis, zur Transparenz, zu den
Haftungsregelungen und zur
Berücksichtigung des
Naturschutzes dargelegt.
Im Grundsatz geht es um folgende
Punkte:
Das Gentechnikrecht soll den
Rahmen für die weitere
Entwicklung und Nutzung der
Gentechnik in allen Lebens- und
Wirtschaftsbereichen setzen. Die
Regelungen sollen so
ausgestaltet werden, dass sie
Forschung und Anwendung in
Deutschland befördern. Die
Wahlfreiheit sowohl der
Verbraucherinnen und Verbraucher
als auch der Landwirte und die
Koexistenz der unterschiedlichen
Bewirtschaftungsformen sollen
gewährleistet werden. |
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