Berlin, Germany
June 26, 2009
Quelle:
bioSicherheit
Die EU-Mitgliedsstaaten sollen
über den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen künftig selbst
entscheiden können. Mit diesem von elf Ländern eingebrachten
Vorschlag soll die seit Jahren andauernde Blockade der
EU-Gentechnik-Politik überwunden werden. Am Rande der Tagung der
EU-Umweltminister in Luxemburg wurde auch über diese Initiative
gesprochen. Doch ob die EU-Rechtsvorschriften tatsächlich
geändert werden, ist noch offen.
Der von Österreich eingebrachte, von Griechenland, Bulgarien,
Ungarn, Irland, Slowenien, Zypern, Lettland, Litauen und Zypern
unterstützte Vorschlag sieht vor, dass gentechnisch veränderte
Pflanzen zwar weiterhin nach den bestehenden Rechtsvorschriften
EU-weit zugelassen werden, die einzelnen Länder jedoch deren
Anbau national verbieten können. Einen ähnlichen Vorstoß hatten
die "gentechnik-freundlichen" Niederlande bereits im März
gemacht.
"Angesichts der unbefriedigenden gegenwärtigen Situation und der
Ablehnung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO ) in
breiten Kreisen der Bevölkerung vieler Mitgliedsstaaten ist die
Zeit gekommen, einen neuen Umgang mit der Zulassung von GVO in
der Landwirtschaft zu finden," heißt es in dem von Österreich
vorgelegten Papier.
Bisher: Nationale Verbote nur zur Gefahrenabwehr
Nach den derzeitig gültigen EU-Rechtsvorschriften kann ein
einzelner Mitgliedsstaat den Anbau einer zugelassenen gv-Pflanze
nur dann verbieten, wenn aufgrund neuer wissenschaftlicher
Erkenntnisse Zweifel an der Sicherheit aufgetaucht sind. Mit
einem nationalen Verbot der betreffenden gv-Pflanze, so die
Begründung für diese safeguard clause, kann ein Land rasch und
wirksam reagieren, um die Gesundheit der Verbraucher oder die
Umwelt vor den neu entdeckten Gefahren zu schützen. Bisher haben
zahlreiche EU-Länder von dieser Verbotsklausel Gebrauch gemacht,
zuletzt Deutschland beim Verbot von MON810-Mais.
Die wissenschaftlichen Gründe für solche Verbote, so die
EU-Rechtsvorschriften, werden von dem für Gentechnik zuständigen
Expertengremium der EFSA auf ihre Stichhaltigkeit überprüft.
Zwar wurden bisher alle nationalen Anbauverbote als
wissenschaftlich unbegründet eingestuft, doch bei der
notwendigen Abstimmung im Ministerrat fanden sich nicht die
erforderlichen Mehrheiten, um die Aufhebung der nationalen
Verbote zu erzwingen.
Bei der Grünen Gentechnik besteht der gemeinsame europäische
Binnenmarkt schon lange nicht mehr: Obwohl es EU-weit
verbindliche Zulassungen gibt, ist in einigen Ländern der Anbau
von gv-Pflanzen erlaubt, in den anderen dagegen verboten.
"Nationale Selbstbestimmung" trotz EU-weiter Zulassung
Mit den neuen Vorschlägen aus Österreich und den Niederlanden
würde eine längst bestehende politische Realität legalisiert.
Künftig soll ein EU-Mitgliedsstaat den Anbau einer zugelassenen
gv-Pflanze zeitlich unbefristet verbieten können - und ohne eine
wissenschaftliche Begründung für neue Gefahren liefern zu
müssen. Die EU-Kommission soll zudem eine Liste mit möglichen
"sozioökonomischen Kriterien" ausarbeiten, die zur Begründung
nationaler Verbote herangezogen werden können.
Ziel des Vorschlags ist es, "eine nationale Selbstbestimmung zu
ermöglichen, ohne den gesamten GVO-Zulassungsprozess in Frage zu
stellen." Erst kürzlich hatte der Generaldirektor Umwelt der
EU-Kommission, Karl Falkenberg, bei einem Gespräch mit
Journalisten angekündigt, das EU-Zulassungssystem für GVO solle
"möglichst bald" überarbeitet werden. Die Kommission wolle keine
weiteren Entscheidungen "gegen die im Ministerrat vorherrschende
Position zu GVO" durchsetzen, so Falkenberg. Er spielte damit
auf die anstehenden Zulassungsentscheidungen über die
Amflora-Kartoffel sowie zwei weitere gv-Maislinien an.
In Luxemburg nahmen die Umweltminister den Vorschlag zur
Kenntnis. Weitere Länder, darunter Deutschland und Frankreich,
erklärten ihre Unterstützung. Formelle Beschlüsse wurden jedoch
nicht gefasst. Ohnehin kann nur die EU-Kommission Änderungen der
bestehenden Rechtsvorschriften einleiten. Auch EU-Parlament und
Mitgliedsstaaten müssen zustimmen. Zudem wird es noch einige
Zeit dauern, bis die neue EU-Kommission im Amt und politisch
handlungsfähig ist. Nicht eindeutig geklärt ist auch, ob die
Verlagerung der politischen Entscheidungskompetenz auf die
Mitgliedsstaaten mit den von der EU unterzeichneten
WTO-Verträgen vereinbar ist.
Kurzfristig wird sich wenig ändern, weder an den
Rechtsvorschriften, noch an der verfahrenen politischen
Situation.
GVO-Zulassungsverfahren in der EU: Die nächste Reform? |
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