Gatersleben, Germany
November 23, 2004
180 Experten aus ganz
Deutschland diskutieren über Erprobungsanbau mit gentechnisch
verändertem Mais
„Der praktische Teil des
Erprobungsanbaus ist erfolgreich abgeschlossen worden. Der Anbau
hat eine gesamtgesellschaftliche Debatte zum Thema Grüne
Gentechnik angeregt, die es in dieser Form in Deutschland noch
nicht gab.“ Mit diesen Worten begrüßte Dr. Uwe Schrader,
Vorsitzender des InnoPlanta
e.V., die 180 aus dem ganzen Bundesgebiet angereisten
Teilnehmer des InnoPlanta Forums 2004 in Magdeburg.
Im Zentrum der Veranstaltung standen die Erfahrungen des
diesjährigen Erprobungsanbaus mit gentechnisch verändertem (GV)
Mais. Zwar konnten noch keine wissenschaftlichen Ergebnisse
präsentiert werden, doch die Schilderungen der am Anbau
beteiligten Wissenschaftler ermutigten zum weitermachen. Die
Mehrheit der Teilnehmer war sich einig: der großflächige Anbau
mit GV-Pflanzen sollte fortgesetzt werden.
Auf breite Ablehnung stieß hingegen der Entwurf zum neuen
Gentechnikgesetz. „Die Landesregierung Sachsen-Anhalt wird das
Gesetz so nicht hinnehmen, sondern auf seine
verfassungsrechtliche Grundlagen prüfen lassen“, so Dr. Horst
Rehberger, Minister für Wirtschaft und Arbeit Sachsen-Anhalt.
„Wir brauchen Mut zur Veränderung.“ Mit diesen Worten plädierte
Dr. Hermann Onko Aeikens, Staatssekretär im Ministerium für
Landwirtschaft und Umwelt, für mehr Innovationen in Deutschland.
Prof. Dr. Gerhard Wenzel von der TU München unterstrich diese
Forderung mit einem Beispiel: „Ohne die Innovationsfreude des
‚alten Fritz’ hätten wir heute eines unserer wichtigsten
Lebensmittel nicht – die Kartoffel.“
Erfahrungen aus dem Erprobungsanbau
Prof. Dr. Eberhard Weber von der Universität Halle-Wittenberg
gab den Teilnehmern einen Überblick über das wissenschaftliche
Begleitprogramm. Ziel des Erprobungsanbaus sei die Untersuchung
von Einträgen gentechnisch veränderter Bestandteile in
angrenzende konventionelle Maisfelder unter praxisnahen
Bedingungen gewesen. Großer Wert sei dabei auf repräsentative,
nachvollziehbare und qualitativ hochwertige Probennahmen und
Analysen gelegt worden, so Weber.
Unter dem Motto „Koexistenz im Praxistest“ berichteten Dr. Falko
Holz von der Anstalt für Landwirtschaft und Gartenbau in
Sachsen-Anhalt, Prof. Dr. Inge Broer vom Verein zur Förderung
Innovativer und Nachhaltiger Agrarbiotechnologie e.V. (FINAB) in
Mecklenburg-Vorpommern und MR Jakob Opperer vom Bayrischen
Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten von ihren
Erfahrungen. Dabei stellten Sie spezielle Untersuchungen vor,
die an den jeweiligen Standorten durchgeführt wurden, um
besonderen Fragestellungen nachzugehen. So gab es in Bayern
Versuche zur Klärung der Bienen-/ Honigfrage, in Sachsen-Anhalt
werden zusätzlich Fütterungsversuche durchgeführt und in
Mecklenburg-Vorpommern wurde die Möglichkeit der
Blühzeitverschiebung als Mittel zur Koexistenzsicherung
analysiert. Frau Broer konnte hier schon ein erstes Teilergebnis
vorstellen: unter den klimatischen Bedingungen Ihres
Bundeslandes sei die Blühzeitverschiebung kein angemessenes
Mittel zur Befruchtungsvermeidung, da die Witterungseinflüsse zu
groß seien.
Einhellig lobten die Referenten die gute Zusammenarbeit mit den
beteiligten Landwirten. Zudem konnte in Gesprächen mit den
benachbarten Landwirten eine positive Grundhaltung gegenüber dem
Erprobungsanbau und der Gentechnik im Allgemeinen festgestellt
werden.
Gerd Spelsberg, Projektleiter von TransGen.de und
Erprobungsanbau.de, beleuchtete den Erprobungsanbau aus
kommunikativer Sicht. Die verständliche strategische
Entscheidung habe zu einem negativen Außenbild geführt und den
„Geheimanbau“ zum bestimmenden Thema der öffentlichen Diskussion
gemacht. Nach der Ernte gäbe es nun die Chance für einen neuen
Kommunikationsansatz mit einer stärkeren Hinwendung zur
Gesellschaft.
Haftungsfrage im Brennpunkt der Diskussion
Dr. Ricardo Gent, Geschäftsführer der Deutschen
Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) kritisierte zu Beginn
des zweiten Teils der Veranstaltung noch einmal das geplante
Gentechnikgesetzt. Insbesondere die darin aufgeführte
gesamtschuldnerische Haftung sei Untragbar und würde dazu
führen, dass der Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft
verhindert würde.
Auch in der abschließenden Podiumsdiskussion unter Beteiligung
von Dr. Wolfgang Nehring vom Landesbauernverband Sachsen-Anhalt,
Dr. Horst Rehberger, Dr. Ferdinand Schmitz vom Bundesverband
Deutscher Pflanzenzüchter (BPD) und Gerd Spelsberg stand die
Haftungsfrage im Mittelpunkt. „Wir brauchen die Innovationen in
der Landwirtschaft, um wettbewerbsfähig zu sein“, so Nehring.
Die gegenwärtig geplante Gesetzgebung lasse den Einsatz von
GV-Pflanzen aber nicht zu. Die Podiumsteilnehmer warnten zudem
davor, dass mit dieser Haftungsregelung ein Präzedenzfall
geschaffen würde, der zu ungeahnten Problemen führen könnte,
wenn ein solcher nicht kausaler Haftungszusammenhang auch auf
andere Bereiche ausgedehnt würde. Kritische Stimmen aus dem
Publikum hinterfragten, wer denn dann die Haftung übernehmen
solle. Eine Möglichkeit sei eine Versicherungslösung, wie sie
der BDP vorschlage, so Schmitz. Doch sei dies unter der
gegenwärtigen Gesetzeslage nicht umsetzbar.
Mit großem Interesse wurde das Beispiel Holland betrachtet. Hier
sei es gelungen, im Dialog mit allen betroffenen Gruppierungen
klare Regelungen zu schaffen, die einerseits die Belange des
konventionellen und ökologischen Landbaus berücksichtigen,
andererseits aber den Anbau von GV-Pflanzen möglich mache. Einen
solchen pragmatischen Ansatz wünsche man sich auch hierzulande,
so die überwiegende Zahl der Teilnehmer. Man solle solche
internationalen Beispiele genauer betrachten. |