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„Ich hoffe sehr, dass uns dieser Coup gelingt“ - Im Interview zum Jahresabschluss spricht Nicolaus von Wirén über den Antrag für das Exzellenzcluster CEPLAS, das Audit, den Forschungsstandort Mitteldeutschland und die Rolle des IPK in der Leibniz-Gemeinschaft


Germany
December 18, 2024


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Prof. Dr. Nicolaus von Wirén - IPK Leibniz-Institut/ L. Tiller


 

Ein Jahr vor der Evaluierung kam im Oktober der Wissenschaftlichen Beirat zum Audit ans IPK, also gewissermaßen zur Generalprobe. Wie fiel die Einschätzung der Beiräte aus, und was haben sie dem Direktorium mit auf den Weg gegeben? 

Wir haben Unterstützung für unsere neuen, überarbeiteten Forschungsschwerpunkte bekommen, die wir seit dem letzten Retreat im Februar in Angriff genommen hatten. Das zeigt, dass wir mit unserer neuen Forschungsstrategie auf dem richtigen Weg sind. Lob gab es auch für unsere erfolgreichen Drittmitteleinwerbungen und die Rekrutierung neuer, junger Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter. Damit haben wir das IPK in puncto Internationalität und Diversität wieder deutlich weiter vorangebracht. 

Was können Sie zur neuen Forschungsstrategie sagen?

Wir haben zunächst einmal fünf Themenfelder umrissen: die Aktivierung der genetischen Diversität, die Optimierung von Genomen und Chromosomen, die Nutzung von „Big Data“, sowie die Verbesserung der Resilienz der Wurzeln und der Leistungsfähigkeit des Sprosses. Vom Wissenschaftlichen Beirat haben wir gute Hinweise dazu bekommen, wie wir die fünf Forschungsschwerpunkte noch schärfer fassen können. 

Worauf zielten die ab?

Ein Punkt betrifft die Forschungsinfrastrukturen. Die Genbank und die PhänoSphäre sollten wir noch stärker und prominenter in unsere Forschungsstrategie einbinden. Eine weitere Aufgabe wird es sein, mehr übergreifende Themen und Fragestellungen zu entwickeln, die wir nur dann beantworten können, wenn wir die Kompetenzen von Gruppen aus mehreren Abteilungen zusammenführen. 

Das Konzept wird im Februar beim nächsten Retreat noch einmal abgestimmt, und die finale Fassung der Strategie soll bis Mai 2025 fertig sein. 

Und was wurde vom Wissenschaftlichen Beirat kritisch gesehen?

Ernsthafte Sorgen bereitet uns und dem Wissenschaftlichen Beirat die finanzielle Situation des IPK, da wir derzeit nicht in der Lage sind, Kostensteigerungen bei Personal und Energie aufzufangen, ohne Stellen zu streichen bzw. nicht wieder zu besetzen. Deshalb unterstützt der Wissenschaftliche Beirat mit Nachdruck unseren Sondertatbestand, weil nur eine permanente Erhöhung unseres Grundhaushalts Abhilfe schaffen kann.

Der Sondertatbestand ist als technischer Sondertatbestand angelegt. Warum?

In der Tat haben wir uns entschlossen, nicht mit einem neuen wissenschaftlichen Konzept eine Budgeterhöhung über die Leibniz-Gemeinschaft zu erwirken, sondern wir haben die Aufrechterhaltung des Betriebes der PhänoSphäre in den Mittelpunkt gestellt. 

Ist die PhänoSphäre also unser Sorgenkind?

Natürlich schlagen die hohen Stromkosten der PhänoSphäre in der Bilanz zu Buche. Aber ähnlich kostenintensiv ist auch die veraltete, energieaufwendige Technik in unseren Klimakammerhäusern. Deshalb nehmen wir 2025 die Renovierung der Räume, der Belichtung und der Kälte- und Wärmetechnik im Klimakammer-Haus 1 im Friedrich-Miescher-Haus in Angriff.

Doch es geht nicht nur um die Energie-, sondern auch um die Personalkosten. So haben allein die Tariferhöhungen in diesem Jahr zu Mehrausgaben von einer Million Euro geführt. Und das lässt sich bei einem gleichbleibenden Grundhaushalt nicht so einfach stemmen. 

Um die wissenschaftliche Exzellenz scheint es aber weiterhin gut bestellt zu sein. In diesem Jahr gab es wieder viele hochkarätige Publikationen, darunter in „Nature“ und „Science“.

In der Tat haben wir für die gesamte Publikationsleistung große Anerkennung bekommen. Ein besonderer Erfolg ist, dass wichtige Fortschritte und hochkarätige Publikationen nicht nur an ein oder zwei Arbeitsgruppen hängen, sondern mehrere dazu beitragen. Wichtig ist auch, dass neue Forschungsinfrastrukturen erfolgreich in diese Publikationen eingebracht werden. Was bei NMR und PhänoSphäre zumindest zum Teil bereits geschafft wurde, muss unbedingt fortgesetzt werden, um die Profilierung des IPK weiter zu schärfen.

Mit Methoden und Verfahren wie der Genomsequenzierung, der NMR und der Genschere CRISPR Cas hat das IPK Maßstäbe gesetzt. Besteht damit jedoch nicht die Gefahr, dass die biologischen Fragestellungen etwas aus dem Blick geraten?

Nein, denn zur umfassenden Beschreibung einer neuen Methode gehört auch die Darstellung des Erkenntnisgewinns, der damit erzielt werden kann. Das geschieht meist in Form sogenannter „Showcases“. In der Genomsequenzierung und bei der NMR ist uns das bereits gut gelungen. Aber dabei sollten wir nicht stehen bleiben, sondern frühzeitig neue biologische Fragestellungen formulieren, damit die Methodenetablierung auch gezielter darauf ausgerichtet werden kann. 

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Ich glaube, das ist sowohl in der jüngsten „Nature“-Publikation von Nils Stein und Martin Mascher zum Pangenom der Gerste als auch im Verbundprojekt „PreBreed“ von Nils Stein angelegt. Es geht im Kern darum, mit neuen, teils KI-gestützten Methoden Genvarianten in alten Linien und Landrassen zu finden, mit denen verschiedene Pflanzeneigenschaften verbessert werden können. Danach kann das mit der Genomeditierung geprüft und später in Elitelinien übertragen werden.

Das IPK ist als einer von vier Partnern aus Mitteldeutschland am Sonderforschungsbereich „Plant Proteoform Diversity“ beteiligt, den die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Mai bewilligt hat. Im Kern geht es um die Verbindung von Protein- und Pflanzenforschung. Welche Chancen ergeben sich dadurch für das IPK?

Ein solcher Sonderforschungsbereich ist im Idealfall Grundlage für eine Exzellenzinitiative. Inhaltlich liegt der Fokus der Projekte zunächst auf der Modellpflanze Arabidopsis, in der zweiten Runde ist dann aber vorgesehen, diesen auch auf Gerste auszuweiten. Und dann werden wir uns mit unserer Expertise auch als Antragsteller verstärkt einbringen.

Auch bei der Botanik-Tagung, die Ende September an der Uni Halle stattgefunden hat, war das IPK einer der Partner. Die Resonanz war äußerst positiv. Liegt es da nicht auf der Hand, Mitteldeutschland als Standort für die Pflanzenforschung mit voller Kraft zu etablieren?

Genau, das ist auch der Plan! Und Veranstaltungen wie die Botanik-Tagung sind auf diesem Weg wichtige Schritte. Sie bieten eine gute Gelegenheit, die exzellente Forschung aus der Region im internationalen Rahmen zu präsentieren. Doch nicht nur das: Auch der große Generationswechsel, der sich in den Pflanzenwissenschaften an der Universität Halle vollzieht, ist eine große Chance für eine weitere Profilierung und Neuausrichtung. Derzeit sind in der biologischen und agrarwissenschaftlichen Fakultät drei Professuren ausgeschrieben, bei denen ich in der Berufungskommission vertreten bin. Ziel ist es letztendlich, komplementäre Expertise zu gewinnen, die sich mit dem Sonderforschungsbereich, aber auch mit der Forschung am IPK kombinieren lässt.

Aber auch der DIP-Verbund, der im Süden Sachsen-Anhalts eine Modellregion für eine digitalisierte, klimaneutrale und wettbewerbsfähige Bioökonomie schaffen soll, sollte an dieser Stelle genannt werden. Dort ist das IPK nicht nur beteiligt, sondern wurde auf Wunsch des Landes auch als Standort für ein Kick-off-Meeting im März 2025 ausgewählt.

Erfolgreiche Kooperationen unterhält das IPK aber auch außerhalb der Region, allen voran mit dem Exzellenzcluster CEPLAS. Dort möchte das IPK künftig einsteigen. Wie ist dort der aktuelle Stand?

Mit dem Exzellenzcluster würden sich für das IPK ganz neue Perspektiven eröffnen. Als Partner können wir neue Kooperationsprojekte ans IPK bekommen, bei denen wir stark von der ausgezeichneten Grundlagenforschung und Methodenentwicklung in CEPLAS profitieren können. Im Erfolgsfall bekommen wir auch eine neue Professur im Bereich „Wurzel-Mikrobiom-Interaktionen“, was ausgezeichnet in unser Forschungsportfolio passt.

Nach der Begutachtung des Antrags durch die DFG im Dezember erwarten wir eine finale Entscheidung im Mai 2025. Persönlich hoffe ich sehr, dass uns dieser Coup gelingt. Denn viele der Kolleginnen und Kollegen bei CEPLAS haben viele tolle Ideen, richtig Schwung und Mut, auch risikoreichere Fragestellungen anzugehen. Und ich bin mir sicher, dass CEPLAS auch am IPK neue und frische Impulse setzen kann, die uns sehr motivieren.

Als Geschäftsführender Direktor sind Sie nun auch sehr stark in der Leibniz-Gemeinschaft eingebunden? Welche Eindrücke haben Sie dort bisher gewinnen können?

Leibniz sichert dem IPK die Grundförderung und eine stabile Position im Kreis der vier Wissenschaftsorganisationen. Mir ist in den vergangenen Monaten aber auch immer klarer geworden, wie sehr Leibniz vom Input der Institute abhängt. Das IPK hat dort allein schon aufgrund seiner Größe, seiner Genbank und seiner wissenschaftlichen Exzellenz einen sehr guten Stand. Und es ist wichtig, dass wir dies nutzen, um unsere Vision von Forschung dort einzubringen. Also nicht nur mitmachen, sondern mitgestalten.

Für Sie endet das erste komplette Kalenderjahr in Ihrer neuen Funktion. Wie haben Sie dieses Jahr ganz persönlich erlebt? Und wie entspannen Sie sich rund um den Jahreswechsel?

Ich gebe zu, die Arbeit in der Geschäftsführung ist viel aufwändiger als zunächst gedacht. Es gilt, parallel konzeptionelle, organisatorische, finanzielle und personelle Fragen zu lösen. Das erfordert viel Zeit und viele Absprachen. Umso mehr schätze ich das kollegiale und kooperative Vorgehen im Direktorium, mit der Verwaltung und mit der gesamten Belegschaft. Natürlich hat die Zeit, in der ich selbst mich noch der Forschung widmen kann, extrem abgenommen; das bedauere ich außerordentlich. Trotzdem empfinde ich diese Position weiter als große Ehre und hoffe, dazu beitragen zu können, das Institut als modernen und zukunftssicheren Forschungsstandort zu erhalten und weiterzuentwickeln. 

Weihnachten verbringe ich in diesem Jahr zusammen mit Tochter und Sohn bei meiner Schwester in Stockholm, wo Weihnachten immer besonders schön und stimmungsvoll ist. Und zu Silvester steigt eine Party bei der Familie meines Patenkinds und bei meinen alten Freunden in Tübingen.

 

 



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Published: December 23, 2024