Berlin, Germany
July 15, 2008Quelle:
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
Ende April und Anfang Mai 2008 kam
es in einigen Regionen in Südwestdeutschland zu einem
Bienensterben, bei dem nach letzten Erhebungen etwa 11.000
Völker teilweise erheblich geschädigt wurden. Sofort nach
Bekanntwerden der Vorfälle begann eine intensive Suche nach den
Ursachen. Dabei arbeiteten das Ministerium für Ernährung und
Ländlichen Raum in Baden-Württemberg und die Behörden vor Ort
mit der Imkerschaft, der Bienenuntersuchungsstelle im Julius
Kühn-Institut, dem BVL und der Pflanzenschutzmittel-Industrie
zusammen. Schnell richtete sich der Verdacht auf Maissaatgut,
das mit dem insektiziden Wirkstoff Clothianidin behandelt war.
Inzwischen haben die chemischen Analysen des Julius
Kühn-Instituts eine Clothianidinvergiftung bestätigt.
Es ist davon auszugehen, dass das nachgewiesene Clothianidin von
behandeltem Maissaatgut stammt, bei dem der Wirkstoff nicht
ausreichend an den Körnern haftete, so dass es wegen dieser
geminderten Beizqualität zu einem starken Abrieb kam. In der
Oberrheinebene wurden zur Aussaat mit Druckluft arbeitende
Sämaschinen eingesetzt, die aufgrund ihrer Konstruktion den
Abriebstaub in die Luft abgeben. So konnte der Abriebstaub auf
blühende Pflanzen gelangen.
Die regionale Verteilung der Bienenschäden und Untersuchungen
des Saatguts lassen darauf schließen, dass die Qualitätsmängel
bei bestimmten Chargen des Maissaatguts vorlagen, die speziell
zum Schutz gegen den Westlichen Maiswurzelbohrer behandelt
waren. Für diesen Zweck war eine höhere Aufwandmenge zugelassen
als für den Schutz gegen Fritfliege und Drahtwurm.
Behördliche Maßnahmen
Am 15. Mai 2008, noch vor der vollständigen Aufklärung der
Vorfälle, ordnete das BVL das Ruhen der Zulassung für acht
insektizide Saatgutbehandlungsmittel an. Aus Vorsorgegründen
erstreckte sich diese Maßnahme nicht nur auf Mittel zur
Behandlung von Maissaatgut, sondern auch auf solche zur
Behandlung von Rapssaatgut. Am 24. Mai 2008 verbot das
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz für vorerst 6 Monate die Aussaat von
Maissaatgut mit pneumatischen Geräten zur Einzelkornablage, die
mit Unterdruck arbeiten; das Verbot gilt für Maissaatgut, das
mit Clothianidin oder einem von drei weiteren Insektiziden
behandelt ist.
Zeitgleich mit diesen Sofortmaßnahmen hat sich das BVL intensiv
mit dem Problem des Wirkstoffabriebs bei
Saatgutbehandlungsmitteln auseinander gesetzt. Es galt zu
klären, welche Faktoren bei der Saatgutbehandlung und bei der
Aussaat eine Rolle spielen und wie sich die Belastung der Umwelt
minimieren lässt. Dazu hat das BVL Unterlagen von den
Zulassungsinhabern angefordert und mehrere Fachgespräche
durchgeführt, bei denen auch Saatguterzeuger,
Landmaschinenindustrie, Verbände und unabhängige Fachleute
angehört wurden.
Aufgrund der vielschichtigen Faktoren wie Aufwandmenge pro
Saatgut, unterschiedliche Beizqualität und die verwendeten
Geräte, hat das BVL für den 14. Juli 2008 zu einem weiteren
Fachgespräch eingeladen, bei dem es um die Verfahren der
Saatgutbehandlung und die Technik der Drillmaschinen im
Maisanbau geht. Daneben hat das BVL weitere Unterlagen von den
Zulassungsinhabern angefordert und steht in Verbindung mit
europäischen und nordamerikanischen Zulassungsbehörden.
Voraussichtlich wird das BVL im Herbst 2008 entscheiden, ob die
Zulassungen der Mittel zur Maisbehandlung mit Auflagen und
Beschränkungen, etwa einer begrenzten Aufwandmenge, wieder in
Kraft gesetzt werden können oder endgültig widerrufen werden
müssen.
Die Situation bei Raps
Die mit Maissaatgut aufgetretenen Probleme sind nicht auf
Rapssaatgut übertragbar. Aus der Bewertung dieses Risikos durch
das Julius Kühn-Institut und den Ergebnissen des Deutschen
Bienenmonitorings liegen keine Anhaltspunkte für eine mögliche
Schädigung von Bienenvölkern vor.
Das Julius Kühn-Institut und das Landwirtschaftliche
Technologiezentrum Augustenberg haben Saatgutproben aus dem
Handel auf Abriebfestigkeit geprüft. Der Abrieb bei Rapsproben
erwies sich als sehr gering und lag deutlich unter den Werten
bei Mais. Weiterhin kommen bei der Aussaat von Raps
ausschließlich Maschinen zum Einsatz, die Abriebstäube nur in
den Boden, nicht aber in die Luft abgeben können. Zudem gelangt
mit behandeltem Raps weniger Wirkstoff auf einen Hektar als mit
behandeltem Mais. Schließlich gibt es nach wie vor keine
Anhaltspunkte dafür, dass Pollen und Nektar der Rapsblüten ein
Risiko für Bienen darstellen könnten.
Das BVL hat am 25. Juni 2008 die Zulassung für Raps unter der
Auflage wieder in Kraft gesetzt, dass das Pflanzenschutzmittel
bei der Saatgutbehandlung mit einem zusätzlichen Haftmittel ans
Rapskorn gebunden wird, so dass kein Abriebstaub in die Luft
abgegeben werden kann. Dadurch wird unabhängig von der
Selbstverpflichtung der Saatguterzeuger, die
Haftmittelverwendung und stärkere Qualitätskontrollen zugesagt
haben, die Saatgutqualität in Hinsicht auf Abriebfestigkeit und
Staubfreiheit sichergestellt.
Obwohl das BVL nach eingehender Prüfung zu dem Ergebnis kommt,
dass die Rapsbeizung mit clothianidinhaltigen
Pflanzenschutzmitteln kein Risiko hinsichtlich einer möglichen
Schädigung von Bienenvölkern darstellt, hat es aus
Vorsorgegründen den Zulassungsinhabern zusätzlich empfohlen, auf
Packungen mit behandeltem Rapssaatgut die folgenden
Kennzeichnungen anbringen zu lassen:
- Behandeltes Saatgut und
Reste wie Bruchkorn und Stäube, entleerte Behältnisse oder
Packungen sowie Spülflüssigkeiten nicht in Gewässer gelangen
lassen. Dies gilt auch für indirekte Einträge über die
Kanalisation, Hof- und Straßenabläufe sowie Regen- und
Abwasserkanäle.
- Keine Ausbringung des
behandelten Saatgutes bei Wind mit Geschwindigkeiten über 5
m/s.
Das behandelte Saatgut einschließlich enthaltener oder beim
Sävorgang entstehender Stäube vollständig in den Boden
einbringen.
- Die Ausbringung des
behandelten Saatgutes sollte nicht mit pneumatischen
Sägeräten (Saugluftsysteme) erfolgen, es sei denn, die
Abluftführung ermöglicht die Ableitung von Stäuben in den
Boden.
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