Germany
April, 2008
Source:
bioSicherheit / GMO Safety
http://www.biosicherheit.de/de/aktuell/637.doku.html
Anfang April haben
Gentechnik-Gegner ein Versuchsfeld der Hochschule für
Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen (HfWU)
besetzt. Die Hochschulleitung beugte sich dem Druck der
Protestgruppen und kündigte an, für die kommenden fünf Jahre
sämtliche Versuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen
einzustellen. Die meisten Studierenden der Agrarwirtschaft
können diesen Schritt nicht nachvollziehen. In einem offenen
Brief fordern sie die Hochschulleitung dazu auf, die
Forschung im Bereich der Gentechnik wieder aufzunehmen.
BioSicherheit sprach mit Kathrin Mendler, Studentin der
Agrarwirtschaft im 8. Semester und Sprecherin der
studentischen Initiative.
Auf dem Versuchsfeld sollte
untersucht werden, ob gentechnisch veränderter Bt-Mais weniger
mit Pilzgiften belastet ist. Die Feldbesetzung ist kein
Einzelfall: Gentechnisch veränderte Pflanzen werden an der HfWU
bereits seit 1996 untersucht. Seither mussten sich die
Agrarwissenschaftler fast jedes Jahr mit einer teilweisen
Zerstörung ihrer Forschungsprojekte arrangieren.
bioSicherheit
Anfang April haben
Gentechnik-Gegner ein Versuchsfeld der HfWU besetzt und für
wissenschaftliche Freisetzungsexperimente weitgehend
unbrauchbar gemacht. Was halten Sie von dieser Form des
Protestes?
Kathrin Mendler
Schon die Jahre zuvor sind
die Felder zerstört worden, indem der Mais nach der Aussaat
niedergetrampelt und ausgerissen wurde. Es ist wichtig, dass
Menschen ihre Meinung frei äußern, doch auf diese Art und
Weise finde ich es absolut nicht in Ordnung. Man kann doch
seinen Willen nicht durch die Beschädigung fremden Eigentums
versuchen durchzubringen. Es ärgert mich, dass man so mit
dem Eigentum anderer umgeht, um dann zu behaupten, es sei
alles rechtens. Die Forschung wird durch die Zerstörung der
Versuche eingeschränkt und hinterher beschweren sich genau
diese Leute, dass dieser Themenbereich nicht ausreichend
erforscht ist.
bioSicherheit
Die Feldbesetzer sehen in
ihren Handlungen ein legitimes demokratisches Mittel, für
ihre Überzeugung einzustehen. Sie sprechen von "friedlichem
Protest".
Kathrin Mendler
Für mich ist "friedlich"
etwas anderes als Äcker und Pflanzen zu zerstören. Sicher
war es friedlich. Sie haben niemanden verletzt. Aber ich
finde, fremdes Eigentum zu besetzen und zu zerstören, hat
nichts mit Demokratie zu tun. Uns Studenten hat auch die Art
und Weise, wie die Besetzer mit dem Acker umgegangen sind,
sehr gestört. Vielleicht haben Sie die Bilder im Internet
gesehen. Da wurden Gräben um den Turm herum ausgehoben, um
eine Fahrrad-Ralley-Strecke zu errichten. Der Boden ist
durch Trittbelastungen und die Fahrzeuge stark verdichtet.
Das sorgt immer noch für Unmut unter den Studenten.
bioSicherheit
Die HfWU hat dem Druck der
Protestgruppen nachgegeben und das Forschungsprojekt
eingestellt, um einen "Imageschaden" abzuwenden. Können Sie
die Haltung der Hochschulleitung nachvollziehen?
Kathrin Mendler
Meine persönliche Meinung
ist, dass der Abbruch des Forschungsprojektes dem Image viel
mehr geschadet hat. Die Bevölkerung und eigentlich auch die
Studenten haben von den internen Diskussionen zu diesem
Thema nie etwas mitbekommen. In der Öffentlichkeit sieht man
jetzt nur, dass die Versuche innerhalb kürzester Zeit
abgebrochen wurden, nur weil es ein bisschen Widerstand gab.
Und dieser Widerstand in Form der Feldbesetzung kam weder
von unseren Studenten noch von Menschen aus der Gegend,
sondern aus ganz Deutschland. Ich denke, und das hört man
auch von anderen Studenten, dass der Stopp der Forschung
unter diesen Umständen nicht gerade von Standhaftigkeit
zeugt. Auf der anderen Seite kann ich die Hochschulleitung
auch verstehen. Es ist jedes Jahr das Gleiche. Der Druck der
Protestgruppen war diesmal besonders hoch. Trotz allem hätte
man die Versuche nicht stoppen dürfen.
bioSicherheit
Sie haben gemeinsam mit
anderen Studenten einen offenen Brief an die
Hochschulleitung verfasst. Was war Inhalt des Briefes?
Kathrin Mendler
Wir wollten darauf
aufmerksam machen, dass wir nicht damit einverstanden sind,
dass aufgrund des Drucks durch die Feldbesetzer und Teile
der Öffentlichkeit die Forschung eingestellt wird. Wir sind
überzeugt, dass die Hochschulen eine der wenigen
Institutionen sind, die im Rahmen der gesetzlichen
Vorschriften unvoreingenommen forschen können. Obwohl wir
nur sehr wenig Zeit hatten und sicher noch mehr
unterschrieben hätten, haben trotzdem von etwa 240
Agrarwirtschaftsstudenten 160 unterschrieben. Auch jetzt,
knapp zwei Wochen nach unserer Briefübergabe an die
Hochschule, ist das Ganze noch ein Hauptthema unter den
Studenten. Ich denke, das macht die enorme Wichtigkeit
deutlich.
bioSicherheit
An der HfWU dürfen künftig
keine Freisetzungsexperimente mit gv-Pflanzen mehr
durchgeführt werden. Was bedeutet das in der Praxis für Sie
als angehende Agrarwissenschaftlerin?
Kathrin Mendler
Der Versuchsanbau in
Oberboihingen war Wissenschaft zum Anfassen. Wir haben dort
mit Professor Dr. Schier Übungen gemacht und konnten sehen,
wie konventionelle Pflanzen aufgrund der Beschädigungen
durch die Larve des Maiszünslers mit Pilzen befallen waren.
Auf der anderen Seite waren die gentechnisch veränderten
Pflanzen, die keinerlei Zünslerbefall hatten. Diese Pflanzen
waren sichtlich vitaler und der Pilzbefall um einiges
geringer. Ich denke, Professor Dr. Schier wird zwar weiter
in seinen Vorlesungen Gentechnik lehren, weil es ein
wichtiger Bestandteil des aktuellen Pflanzenbaus ist, aber
man sieht es nur noch auf Bildern. Man kann es nicht mehr
anfassen.
bioSicherheit
Die Feldversuche der HfWU
wurden ja nicht zum ersten Mal zerstört. Hatte das
Auswirkungen auf Forschung und Lehre?
Kathrin Mendler
Seit ich hier an der
Hochschule bin wurde eigentlich jedes Jahr zumindest ein
Teil der Versuche zerstört. Das bedeutet, dass die Versuche
nur zum Teil ausgewertet werden können. Das ist natürlich
schade. Wir Studenten würden schon gerne wissen, wie groß
die Unterschiede zwischen konventionellem und gentechnisch
verändertem Mais nun wirklich sind.
bioSicherheit
Die Gentechnik-Gegner
setzen ihr Anliegen durch Feldbesetzungen medienwirksam in
Szene und erreichen damit viel Aufmerksamkeit. Können Sie
sich als Studenten und angehende Wissenschaftler mit ihren
Argumenten in die Debatte einbringen?
Kathrin Mendler
Nein. Wir bekommen nicht
die gleiche Aufmerksamkeit. Der offene Brief wurde von uns
an einige lokale Zeitungen weitergeleitet und bei der
Briefübergabe war neben der lokalen Presse sogar ein
regionales Fernsehteam dabei, das ein paar Tage zuvor
mehrere Berichte über die Besetzer ausgestrahlt hat. Im
Fernsehen kam nicht einmal ein kleiner Bericht und auch
sonst wurde unsere Aktion in den Medien immer nur am Rande
erwähnt. Und dieses Wenige, was geschrieben wurde, war auch
noch falsch. Wir haben weder für noch gegen Gentechnik
Stellung bezogen, sondern uns nur für die Versuche
eingesetzt. Trotzdem stand überall in der Presse, dass die
Studenten für Gentechnik sind. Unsere Aussagen wurden völlig
verzerrt dargestellt. Die Medien haben uns eigentlich auf
die Seite der Befürworter gestellt, obwohl das so gar nicht
stimmt. Den Brief haben nämlich auch Studenten
unterschrieben, die von ihrer Überzeugung her gegen
Gentechnik, aber für die Forschung sind.
bioSicherheit
Wie ist ihre persönliche
Einstellung zur Grünen Gentechnik und zur Forschung in
diesem Bereich?
Kathrin Mendler
Zu Beginn meines Studiums
war ich grundsätzlich dagegen. Ich muss aber ehrlich
zugeben, dass ich keine Ahnung hatte, worum es eigentlich
geht und vor allem, wie es funktioniert. Jetzt hat sich das
Ganze etwas geändert. Ich habe immer noch Zweifel, sehe aber
durchaus die Vorteile dieser Technik und bin dank meines
Studiums viel besser informiert. Ich kann aber gut
verstehen, dass manche Menschen Ängste hegen. Um diese
Ängste beseitigen oder auch bestätigen zu können, muss man
die Technik grundlegend erforschen. Und zwar auch hier in
Deutschland. Das ist ganz wichtig. Diese Forschung darf man
nicht nur anderen Ländern überlassen. Und wenn diese
grundlegenden Forschungsergebnisse für die breite Masse
zugänglich sind, hat man eine ganz andere
Diskussionsgrundlage. Dies sollte man bedenken. Ohne
Forschung können wir nicht darüber diskutieren.
bioSicherheit
Über die Grüne Gentechnik
wird in der Öffentlichkeit sehr emotional diskutiert. Welche
Möglichkeiten sehen Sie, konstruktiver mit dem Thema
umzugehen?
Kathrin Mendler
Ich denke, die Hochschulen
haben hier durchaus eine große Verantwortung. Gentechnik ist
ein komplexes Thema, das den Leuten verständlich gemacht
werden muss, damit sie wissen, um was es geht und sich ihre
eigene Meinung bilden können. Die Medien spielen dabei die
wichtigste Rolle, denn vieles, was in den Medien zum Thema
Gentechnik berichtet wird, ist sehr einseitig. In aller
Regel werden nämlich nur die Gefahren dargestellt und die
Chancen spielen in der Berichterstattung eine untergeordnete
Rolle. Wenn diese überhaupt angesprochen werden. Würde man
die Bevölkerung besser informieren, könnten die Menschen
rationaler mit dem Thema umgehen. Ich denke, nur durch die
enge Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen, Politik und
Verbänden und den Medien kann sich in der Diskussion um die
Gentechnik etwas bewegen.
bioSicherheit
Vielen Dank für das
Gespräch.
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Kathrin Mendler, Studentin der
Agrarwirtschaft im 8. Semester
und Sprecherin der studentischen
Initiative
Stellungnahmen von
Studierenden der
Agrarwirtschaft:
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Jan-Bernd Krieger,
7. Semester
"Dass sich ein Konzern
finanziell am Forschungsprojekt
der Hochschule beteiligt, heißt
noch lange nicht, dass nicht
objektiv geforscht wird. Wer als
Zuhörer bei der
Podiumsdiskussion über die
Gentechnik teilgenommen hat,
konnte sich auch hiervon
überzeugen. Die einzigen, die
nicht sachlich geblieben sind,
waren die Gentechnik-Gegner. Und
solche Personen, die durch
rechtlich sehr fragwürdige
Aktionen Forschungen behindern
oder auch zerstören, werden
durch den Abbruch der Versuche
nur weiter gestärkt."
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Thomas Stehle,
8. Semester
"Im Bereich der Gentechnik,
besonders bei der grünen
Gentechnik, gibt es noch viele
offene Fragen und Risiken.
Obwohl ich persönlich
gentechnisch veränderte Produkte
meide, muss ich feststellen,
dass die Produktion weltweit
rasant zunimmt. Ich befürchte,
dass die Gewinnerwartungen der
Firmen einen Einfluss auf die
von ihnen veröffentlichten
Forschungsergebnisse haben.
Deshalb möchte ich eine von den
Firmen unabhängige Forschung,
die meiner Meinung nach nur von
Hochschulen und Universitäten
beziehungsweise der öffentlichen
Hand geleistet werden kann."
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Felix Grebhardt,
8. Semester
"Freiheit von Forschung und
Lehre sind für mich unantastbare
Grundrechte, die es in unserem
Staat zu schützen gilt. Wenn
diese Rechte mit Füßen getreten
werden, dann sollte man sich
dagegen zur Wehr setzen. Die
Gentechnik kann, muss aber
nicht, zur Schlüsseltechnologie
im 21. Jahrhundert avancieren.
Hier gilt es für Deutschland im
Bereich der Forschung den
Anschluss zur Spitze zu halten,
um auch in Zukunft im globalen
Wettbewerb bestehen zu können."
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Beate Roser,
8. Semester
"Es kann und darf nicht sein,
dass an einer Hochschule die
Forschung gestoppt wird, nur
weil diese umstritten ist.
Forschung ist immer ein Gebiet
der Kontroversen und nur auf
diesem Wege ist Fortschritt
möglich. An Hochschulen kann
dies auf unabhängige Weise
geschehen. Gerade beim Thema
Gentechnik ist die unabhängige
Forschung wichtig. Wobei ich
persönlich dieser Forschung nur
zustimmen kann, wenn sie unter
strengsten
Sicherheitsbestimmungen, vor
allem im Freiland, durchgeführt
wird."
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Andreas Seeger,
8. Semester
"Ich finde das Besetzen des
Feldes war eine unüberlegte und
strafbare Aktion. Wenn nicht an
einer Hochschule unabhängige
Forschung betrieben wird, wo
dann? Durch solche Aktionen wird
bezweckt, dass nur noch große
Gentechnik-Konzerne Forschung
betreiben."
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