Germany
May, 2007Quelle:
Saaten-Union
Newsletter Nr. 42 - Züchtung im Klimawandel
Die
Veränderungen des Klimas, der Produktion und die Neuausrichtung
der Verwertung bestimmen maßgeblich die Ausrichtung der
Züchtungsaktivitäten. Dabei verliert der Weizenzüchter Dr. Ralf
Schachschneider (photo) sein Ziel: Die Maximierung des
Flächenertrages bzw. die in der Biomasse gebundenen
Sonnenenergie, nicht aus den Augen.
Klimatische Anpassungsfähigkeit
Die zunehmende Häufigkeit extremer Wettersituationen und
deren schneller Wechsel ist die für die Züchtung relevante
Klimaveränderung. Milde Winter zum Beispiel bestehen oft aus
einer wechselnden Folge „zu warmer“ und „zu kalter“ Abschnitte.
Damit bedeuten sie extremen Stress für die Pflanze und verlangen
eine „komplexe“ Winterhärte.
Die Niederschlagsverteilung wird sich durch (kurze) Phasen des
Überangebotes und Phasen des Wassermangels auszeichnen.
Besonders die gefürchtete Vorsommertrockenheit kann erhebliche
Ertragsdepressionen nach sich ziehen. Die täglichen
Temperaturverläufe werden die physiologische Leistungsfähigkeit
und die Energiebilanz der Pflanzen beeinträchtigen. Bei starker
Sonneneinstrahlung und Tageshöchstwerten von über 28 °C wird die
Leistung der Photosynthese reduziert. Bei hohen
Nachttemperaturen steigen die Atmungsverluste an.
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Länder,
in denen der Europaweizen MULAN geprüft wurde |
Mit der Entwicklung von
Hybridsorten hat man züchterisch die Möglichkeit, die Toleranz
der Pflanzen maßgeblich zu erweitern. Der Heterosiseffekt zeigt
sich vor allem in höherer physiologischer Aktivität,
Wüchsigkeit, höheren Wurzelleistung und somit in der
Ertragsstabilität unter Stressbedingungen. Aber auch bei der
Züchtung stresstoleranter Liniensorten gibt es erste
Fortschritte, die auf den entwickelten Genpools und dem
europaweiten Prüfnetz basieren. Der „Europaweizen“ MULAN etwa
durchlief in mehr als 10 europäischen Ländern die offiziellen
Prüfungen mit Spitzenpositionen und begründet damit eine neue
Sortenklasse mit hoher klimatischer Anpassungsfähigkeit.
Anbau verschleißt Pilzresistenzen
Der wachsende Anteil nicht wendender Bodenbearbeitung sowie der
seit Jahren beobachtete Trend zu immer früheren Saatterminen und
engeren Fruchtfolgen begünstigen Ungräser und Pilzkrankheiten,
unterschiedliche Viruserkrankungen und Schäden durch freilebende
Nematoden. Durch die Züchtung wurden bereits außerordentliche
Fortschritte bei Pilzresistenzen erreicht, vor allem bei
Ährenfusarium, Blattseptoria, DTR und teilweise bei
Fußkrankheiten. So verbindet die Sorte TUAREG sehr hohen Ertrag
mit Backqualität und guter Septoriatoleranz. Die neue Sorte
JENGA besitzt darüber hinaus die beste Kombination von Resistenz
gegen Ährenfusarium, Blattseptoria und DTR.
Bei Viruserkrankungen kann bisher nur bei bodenbürtigen Viren
mit züchterischen Veränderungen gegengesteuert werden. Es muss
befürchtet werden, dass die Anbaubedingungen den Verschleiß und
den Abbau der Pilzresistenzen beschleunigen werden.
Protein oder Stärke?
Die Verwendung des Weizens als „nachwachsender Rohstoff“ und die
Verschärfung des vorbeugenden Verbraucherschutzes (geringer
Mykotoxingehalt) haben veränderte Ansprüche an die Verwertungs-
und Qualitätsparameter zur Folge. Hier kollidieren die
Zuchtziele für Backqualität und für nachwachsende Rohstoffe.
Dies zeigt sich vor allem beim Rohproteingehalt, der für die
Backqualität hoch und für alternative Verwendungen niedrig sein
sollte. Über Jahrzehnte hin haben es die Züchter erreicht, die
Proteinmenge und/oder die Proteinqualität zu erhöhen. Dabei
erreicht die Sorte TOMMI gute Rohproteingehalte, weil die
negative (genetische) Korrelation zum Kornertrag gebrochen
wurde. Sorten wie JENGA, MULAN, TUAREG und TÜRKIS zeigen auch
mit geringeren Proteingehalten gute Backeigenschaften. Zugleich
ermöglicht deren relativ erhöhter Stärkegehalt besonders bei
reduzierter N-Spätdüngung alternative Verwendungen.
Kann die Weizenzüchtung die wachsenden Anforderungen
erfüllen?
Im Interesse der Landwirte sollten Sorten für mehrfache
Nutzungsrichtungen entwickelt werden. Solange bei der
„Massenware“ Weizen nicht mit einem umfassenden Vertragsanbau zu
rechnen ist, ist dies die wirksamste Strategie, um die Chancen
bei der Vermarktung zu verbessern.
Um Züchtungserfolge langfristig zu sichern, müssen drei Punkte
geklärt sein:
- die Finanzierung und
Durchführung notwendiger Forschungsprojekte,
- die Verbesserung und
Optimierung „klassischer“ Zuchtmethoden,
- die stabile Finanzierung
der praktischen Züchtung durch Lizenzeinnahmen.
1. Mit den Forschungsprojekten
sind keine kurzfristigen Effekte, sondern der langfristige
Vorlauf zu schaffen. Unser Beispiel zeigt, dass diese
umfangreich und teilweise extrem langfristig sind.
2. Den klassischen Züchtungsmethoden werden wir auch den
zukünftigen Züchtungsfortschritt zu verdanken haben. Diese
werden jedoch ergänzt durch moderne Verfahren, z. B. die
Doppelhaploidentechnik, welche die Sortenentwicklung verkürzen.
Molekularbiologische Methoden oder gar Gentechnik werden in
überschaubarer Zeit in der Weizenzüchtung nicht nennenswert
helfen, die oben genannten Anforderungen zu erfüllen. Besonders
wichtig und effizient ist es, die Selektionen an zahlreichen
unterschiedlichen Orten durchzuführen, um so die Vielzahl
möglicher Umweltsituationen zu „simulieren“.
3. Züchtungsfortschritt, die Verbesserung der „Gesamtheit der
wertbestimmenden Eigenschaften“ hat einen Preis. Die Rendite
beim Landwirt ist außerordentlich hoch. Die
„Verantwortungsträger“ – Landwirte und Züchter – müssen gute
Lösungen finden, um den zukünftigen Züchtungsfortschritt
finanzieren zu können.
In den Jahren des Getreideüberschusses war Ertragsmaximierung in
der Öffentlichkeit nahezu verpönt. Seit Jahren sind die
weltweiten Getreidereserven rückläufig. Zunehmend mehr Getreide
wird als Bioenergie verwertet, die zur Verfügung stehenden
Anbauflächen sind jedoch tendenziell rückläufig. Dies hat dazu
beigetragen, dass Ertragsmaximierung wieder anerkannt wird.
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Saaten-Union
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