Germany
March 18, 2007
Source:
bioSicherheit (GMO
Safety)
Auf dem Gelände des
Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und
Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben werden derzeit
mehrere gentechnisch veränderte Weizenlinien in einem
Freilandversuch getestet. Zum Institut gehört auch die Genbank,
eine der größten der Welt. Seit vielen Jahren lagern dort weit
über hunderttausend Pflanzenmuster, auch Weizen. Im Sommer wird
ein Teil davon im Feld angebaut und vermehrt. Ist der Versuch
mit gv-Weizen eine Gefahr für die Arbeit der Genbank ? -
bioSicherheit sprach darüber mit deren Leiter, Prof. Andreas
Graner.
Am 23. November 2006 hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit (BVL) als zuständige Behörde den
Freisetzungsversuch mit gv-Weizenlinien mit veränderter
Proteinzusammensetzung genehmigt.
Als Selbstbestäuber befruchtet sich Weizen vorwiegend innerhalb
der Blüte durch eigenen Pollen. Schon aus biologischen Gründen
sind Auskreuzungen und damit eine mögliche Verbreitung der
transgenen DNA unwahrscheinlich. Dennoch wurde das Versuchsfeld
in einer Entfernung von 500 Metern zu den
Weizen-Vermehrungsflächen der Genbank angelegt. Wie jetzt
bekannt wurde, hat das BVL der Genbank empfohlen, die
Vermehrungsflächen für Weizen vorsorglich zu verlagern.
bioSicherheit: Sie sind
Leiter der Genbank am IPK in Gatersleben. Welche Aufgaben hat
die Genbank und welche Bedeutung kommt ihr zu?
Andreas Graner: Die Aufgabe der Genbank ist die
Erhaltung, Bereitstellung und Dokumentation pflanzengenetischer
Ressourcen. Die Genbank leistet einen wichtigen Beitrag zur
Verhinderung der Generosion, also des Aussterbens von
Kulturpflanzen und der mit ihnen verwandten Wildarten.
bioSicherheit: Für welche Kulturpflanzen machen Sie das?
Andreas Graner: Wir befassen uns in erster Linie mit
landwirtschaftlichen und gärtnerischen Kulturpflanzen sowie
ihren verwandten Wildarten. Insgesamt haben wir über 3000
verschiedene Arten in unserer Genbank aus mehr als 750
botanischen Gattungen. Im Hinblick auf die Artenvielfalt sind
wir vermutlich die komplexeste Genbank weltweit. Mit einem
Bestand von 150.000 Mustern aus über 3000 Arten gehören wir auch
zu den größten Genbanken der Welt. Im russischen
Wawilow-Institut werden noch mehr Pflanzenmuster aufbewahrt.
bioSicherheit: Ein Teil dieser Muster wird regelmäßig im
Feld ausgepflanzt und vermehrt. Das ist notwendig, um die Samen
aus den verschiedenen Herkünften zu erhalten. In welchem Umfang
geschieht das und wie viel Proben werden jährlich angebaut?
Andreas Graner: Das ist je nach Art sehr unterschiedlich
und richtet sich in erster Linie nach der Haltbarkeit der Samen.
Diese liegt im Durchschnitt etwa bei 20 Jahren. Das bedeutet,
dass wir jährlich fünf Prozent der Sammlung zu
Vermehrungszwecken im Feld oder im Gewächshaus anbauen müssen.
Das sind etwa 7500 Muster.
bioSicherheit: Wenn diese Muster im Feld vermehrt werden,
muss man darauf achten, dass keine gegenseitige Vermischung
stattfindet. Können Sie das ausschließen und welche Maßnahmen
ergreifen Sie, um das zu verhindern?
Andreas Graner: Zum einen wenden wir pflanzenbauliche
Maßnahmen an. So bauen wir im Getreidesortiment die einzelnen
Weizenmuster nicht nebeneinander an, sondern alternierend mit
Gerste. Dieser so genannte disjunktive Anbau wurde vor vielen
Jahren in Gatersleben etabliert. Damit können wir weitgehend
verhindern, dass es zu Fremdbefruchtungen - in diesem Beispiel
bei Weizen und Gerste – kommt. Darüber hinaus können wir
sicherstellen, dass wir bei der Ernte das Material benachbarter
Zellen genau unterscheiden und auseinanderhalten.
Fremdbefruchtende Arten werden in so genannten Isolierparzellen
angebaut, zwischen denen ein Mindestabstand von 250 Metern
liegt. Dieser räumliche Abstand verhindert, dass etwa Pollen
verschiedener Roggenpopulationen durch den Wind vermischt
werden. Und bei der dritten Gruppe, den insektenbestäubenden
Fremdbefruchtern, führen wir den Anbau in Kleingewächshäusern
durch. Die Vorder- und Hinterseiten sind durch eine
insektendichte Gaze abgedichtet. Wir haben 170 dieser
Gewächshäuser, die jedes Jahr während der Wachstumsperiode voll
belegt sind.
bioSicherheit: Wird denn überprüft, ob Sie dieses Ziel –
Vermeidung von Vermischungen – tatsächlich erreichen?
Andreas Graner: Ja – und zwar gibt es weitere Maßnahmen,
die wir im Erhaltungsmanagement ergreifen. So werden etwa die
Vermehrungsparzellen von den jeweiligen Kuratoren und
Sortimentsbearbeitern regelmäßig während der Wachstumsperiode im
Sommerhalbjahr kontrolliert. Das bedeutet: Das Material wird
aufgrund bestimmter morphologischer Merkmale, etwa anhand einer
veränderten Blütenfarbe oder Blattstellung, auf Authentizität,
also Echtheit, überprüft. Auf diese Weise können Abweicher, die
etwa durch Fremdbefruchtung oder Saatgutvermischungen entstehen,
erkannt werden.
bioSicherheit: Finden Sie wirklich alle Abweicher?
Andreas Graner: Wenn etwa zufällig ein Samenkorn aus dem
Anbau der Vorjahre im Boden liegt und dann aufkeimt, dann stimmt
diese Pflanze, nicht mit dem Material überein, das man vermehren
will. Wenn solche Abweichungen auftreten, werden sie von den
Sortimentsbearbeitern bereinigt - genau wie das Unkraut, das in
einer Parzelle wächst. Die Deskriptormerkmale, die dazu
herangezogen werden, sind in einer Liste präzise beschrieben.
Darüber hinaus haben wir speziell bei Weizen vor einigen Jahren
genaue Untersuchungen angestellt mit Hilfe von DNA-Markern.
Hierbei wurden anhand von Rückstellmustern Weizensorten
verglichen, die im Lauf der vergangenen Jahrzehnte zum Teil bis
zu 20 mal vermehrt worden waren. Wir haben festgestellt, dass in
allen untersuchten Fällen die Endmuster noch immer mit dem
Ausgangsmuster identisch waren – auch nach 20
Vermehrungsschritten. Wir haben also keine Abweichungen
gefunden. Das ist sicherlich ein Hinweis darauf, dass die
Sortimentsbearbeiter ihre Arbeit gut machen.
bioSicherheit: Am IPK gibt es zahlreiche Projekte der
Agrar- und Pflanzenforschung. Mit einigen der dabei entwickelten
Pflanzen werden sicherlich auch Freilandexperimente
durchgeführt, wie derzeit die Versuche mit gentechnisch
veränderten Weizenlinien. Erwachsen daraus besondere
Gefährdungen für die Vermehrungsflächen der Genbank?
Andreas Graner: Die Anzahl der Freisetzungen auf dem
Gelände des IPK ist bisher überschaubar - nicht zuletzt wegen
des damit verbundenen administrativen Aufwands. Gefahren für die
Genbank ergeben sich daraus nicht. Im Rahmen unseres
Qualitätsmanagements haben wir eine Reihe von Maßnahmen
getroffen, um mögliche Auskreuzungen oder Vermischungen mit
Genbankmaterial zu vermeiden. Im Falle des aktuellen Versuchs
halten wir einen Abstand von 500 Metern zu den
Weizen-Vermehrungsflächen der Genbank ein. Dieser Abstand ist
ausreichend, um eventuelle Fremdbefruchtung durch Pollenflug zu
verhindern. Wäre das nicht der Fall, könnten wir die insgesamt
etwa 30.000 Weizenmuster, die wir in der Genbank haben, nicht
genetisch authentisch erhalten. Seit 60 Jahren vermehren wir in
Gatersleben Weizenmuster im disjunktiven Anbau: Zwei
Quadratmeter große Parzellen wie auf einem Schachbrett, immer
Weizen - Gerste - Weizen - Gerste..... Wenn es eine signifikante
Fremdbestäubung bei Weizen gäbe, dann würde das bedeuten, dass
das Material, das wir heute in der Genbank vorhalten, mit dem,
was seinerzeit in die Genbank aufgenommen wurde, nichts mehr zu
tun hätte.
bioSicherheit: Bei der Genehmigung des
Freisetzungsversuchs mit gentechnisch verändertem Weizen hat das
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit der
Genbank empfohlen, die Vermehrungsflächen für Weizen räumlich zu
verlegen. Unabhängig, ob es dafür eine Notwendigkeit gibt: Ist
das überhaupt möglich?
Andreas Graner: Aus unserer Sicht ist es faktisch nicht
möglich. Es würde bedeuten, dass wir die Genbank zumindest in
der Vermehrungszeit im Sommer an einer anderen Stelle aufbauen
müssten. Und wo sollte diese Stelle liegen - ein Kilometer
entfernt oder zehn? Eine wissenschaftliche Begründung über die
"richtige" Entfernung gibt es nicht. Auch logistisch wäre das
nicht oder nur mit größtem Aufwand machbar. Wir müssten Felder
anmieten und dann täglich etwa 65 Leute, die sich im Sommer mit
den Vermehrungen der Genbank befassen, dorthin transportieren
und später das geerntete Saatgut zurück ins Institut. Bei einem
so kleinen Freisetzungsversuche - es handelt sich um etwa
tausend Einzelpflanzen - mit einem aus meiner Sicht nicht
vorhandenen Restrisiko wäre eine Verlegung der
Vermehrungsflächen ein Aufwand, der nicht machbar und auch nicht
zu rechtfertigen ist.
bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch.
Source:
http://www.biosicherheit.de/de/aktuell/559.doku.html
"We have 60 years’ experience of propagating wheat seed"
Several genetically modified wheat lines are currently being
tested in a field trial on the site of the Leibniz Institute of
Plant Genetics and Crop Plant Research (IPK) in Gatersleben. The
IPK also has one of the world’s largest gene banks. Well over a
hundred thousand plant specimens, including wheat, have been
stored there for years. Every summer, a proportion is planted in
the field and propagated. Does the GM wheat trial represent a
threat to the gene bank’s work? – GMO Safety spoke to the head
of the gene bank, Prof. Andreas Graner.
On 23 November 2006 the Federal Office of Consumer Protection
and Food Safety (BVL) (the German authority responsible)
approved the release trial of GM wheat lines with a modified
protein composition.
As a self-pollinator, wheat generally fertilises itself with its
own pollen inside the floret. This means that from a purely
biological perspective, outcrossings are unlikely, which means a
spread of the transgenic DNA is also unlikely. Nevertheless, the
trial field has been set up 500 metres away from the gene bank’s
wheat propagation plots. As we have just learnt, the BVL
recommended that the gene bank move its wheat propagation plots
as a precaution.
GMO Safety: You are in charge of the gene bank at the IPK
in Gatersleben. What are the tasks of the gene bank and how
important is it?
Andreas Graner: The gene bank’s role is to conserve,
supply and document plant genetic resources. The gene bank plays
an important role in preventing gene erosion, i.e. preventing
cultivated plants and their wild relatives from dying out.
GMO Safety: Which cultivated plants do you do this for?
Andreas Graner: We deal primarily with agricultural crops
and horticultural plants and their wild relatives. We have over
3000 different species in our gene bank from more than 750
botanical genera. As regards species diversity we are probably
the most complex gene bank in the world. With a stock of 150,000
specimens from over 3000 species we are also one of the largest.
Even more plant specimens are stored at the Wawilow Institute in
Russia.
GMO Safety: Some of these specimens are regularly planted
in the field and propagated. This is necessary for obtaining
seeds from the different strains. How many specimens are planted
out and how many samples are cultivated per year?
Andreas Graner: This varies a lot from species to species
and depends to a large extent on the shelf life of the seeds.
The average is around 20 years. This means that each year we
need to plant five per cent of our collection in the field or in
the greenhouse for propagation purposes. That equates to around
7500 specimens.
GMO Safety: When these specimens are propagated in the
field you have to make sure that they do not mix. Can you rule
this out and what measures do you take to prevent it happening?
Andreas Graner: For a start we use agronomical measures –
for instance, in the cereals assortment we don’t plant the
different wheat specimens next to each other; we alternate them
with barley. This “disjunctive” cultivation method was
established in Gatersleben years ago. It enables us to avoid
cross-fertilization to a large extent – in this case in wheat
and barley. We can also ensure that when it comes to harvesting
we differentiate clearly between harvested material from
neighbouring plots and keep it separate. Cross-fertilizing
species are planted on isolation plots with a minimum distance
of 250 metres between them. This separation distance prevents
e.g. pollen from different rye populations from being mixed by
the wind. And for the third group – cross-fertilizing species
that are pollinated by insects – we cultivate the plants in
small greenhouses. The fronts and backs are covered with an
insect-proof gauze. We have 170 of these greenhouses that are
full every year during the growing season.
GMO Safety: Do you check whether you are actually
achieving your aim of avoiding cross-contamination?
Andreas Graner: Yes. And there are other measures that we
take as part of our conservation management. For instance, the
propagation plots are regularly monitored by the curators and
assortment managers during the growing season in the summer
months. This means that the material is checked for authenticity
using certain morphological characteristics, e.g. changes to
flower colour or leaf position. Any deviations caused by e.g.
cross-fertilisation or mixed seed, can be spotted.
GMO Safety: Do you really find all the deviant plants?
Andreas Graner: For instance, if by chance a seed from
the previous years’ plantings is left in the soil and
germinates, this plant will not correspond to the material that
we want to propagate. When such deviant plants emerge they are
removed by the assortment managers – just like weeds. The
descriptor characteristics used are described in detail in a
list. In addition, a few years ago we introduced detailed tests
using DNA markers specifically for wheat. Control specimens were
used to compare wheat varieties, some of which had been
propagated up to 20 times over recent decades. We established
that in all the cases we investigated the end specimen was still
identical to the original specimen – even after 20 propagations.
So we found no deviations. This is surely an indication that our
assortment managers are doing their job well.
GMO Safety: The IPK has a large number of agricultural
and plant research projects. Some of the plants developed in
these projects must surely be used in field experiments, such as
the current trials with genetically modified wheat lines. Does
this lead to particular risks for the gene bank’s propagation
plots?
Andreas Graner: The number of release trials on the IPK
site is manageable – not least because of the administrative
work involved. They do not pose a risk to the gene bank. As part
of our quality management we have taken a number of measures to
avoid potential outcrossings or cross-contamination with the
gene bank material. In the case of this latest trial, we are
respecting a separation distance of 500 metres between the trial
and the gene bank’s wheat propagation plots. This distance is
sufficient to prevent any cross-fertilisation through pollen
transfer. If we didn’t do this we would not be able to conserve
the genetic authenticity of the 30,000 wheat specimens that we
have in the gene bank. In Gatersleben we have been propagating
wheat specimens using disjunctive cultivation methods for 60
years. We use plots measuring two square metres laid out like a
chess board with wheat – barley – wheat - barley... If there
were any significant cross-pollination in wheat, the material
that we have in the gene bank today would be nothing like the
material we collected in the past.
GMO Safety: When approving the release trial for
genetically modified wheat, the Federal Office of Consumer
Protection and Food Safety recommended that the gene bank move
the propagation plots for wheat. Leaving aside the question of
whether this is necessary – is it in fact possible?
Andreas Graner: From our point of view it is virtually
impossible. It would mean that we would have to set up the gene
bank at a different site, at least for the propagation period in
the summer months. And where should this site be – one kilometre
away or ten? There is no scientific justification for the
"correct" distance. And logistically it would be impossible – or
at least only possible at great effort and expense. We would
have to rent fields and then transport the 65 or so people
involved with the gene bank propagations there every day during
the summer months, and transport the harvested seeds back to
IPK. With such a small release trial – we are talking about
around a thousand individual plants – and, in my view, the
absence of any residual risk, moving the propagation sites would
be an impracticable and unjustifiable step.
GMO Safety: Thank you for talking to us.
Source:
http://www.gmo-safety.eu/en/news/559.docu.html |
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Prof. Andreas Graner,
Leiter der Genbank am IPK
Leibniz-Institut für
Pflanzengenetik und
Kulturpflanzenforschung (IPK) in
Gatersleben; Innovationspreis
der Gregor Mendel Stiftung
(2004) |
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Vermehrungsflächen der Genbank
Gatersleben für Weizen und
Gerste. Seit vielen Jahren
werden tausende unterschiedliche
Weizenmuster immer wieder im
Feld vermehrt. Damit sie in
ihrem Originalzustand erhalten
bleiben, ist es zwingend
erforderlich, dass es dabei
keine Vermischungen,
Einkreuzungen oder andere
genetische Veränderungen gibt.
Fotos: IPK Gatersleben |
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