Germany
March 15, 2007
Source:
bioSicherheit (GMO
Safety)
"Ich plädiere dafür, die Eigenschaften einer neuen Pflanze in
den Vordergrund zu stellen."
Moderne molekularbiologische Verfahren haben in der
Pflanzenzüchtung neue Perspektiven eröffnet. Angesiedelt
zwischen Gentechnik und traditionellen Methoden könnten damit
nicht nur Pflanzen mit neuartigen, verbesserten Eigenschaften
erzeugt werden, sondern das auch noch erheblich schneller als
bisher. Doch: Wird die Gentechnik bei Pflanzen damit
überflüssig? Wie sind die neuen Verfahren in Hinblick auf
Zulassung und Sicherheitsbewertung einzuordnen? Über zwei dieser
Verfahren - Smart Breeding und Cisgen-Technologie-
sprach bioSicherheit mit Prof. Bernd Müller-Röber,
Molekularbiologe an der Universität Potsdam.
In der öffentlichen Wahrnehmung haben transgene Pflanzen einen
schweren Stand. Durch die Einführung artfremder, etwa aus
Bakterien isolierter Gene werden Pflanzen verändert, "wie es auf
natürliche Weise nicht möglich ist"
(EU-Freisetzungs-Richtlinie). Für transgene Pflanzen gelten
deswegen besondere gesetzliche Vorschriften. Ihre Freisetzung in
die Umwelt und eine kommerzielle Nutzung ist nur erlaubt, wenn
in aufwändigen Zulassungsverfahren belegt werden kann, dass dies
ohne Risiken für Menschen, Tiere und Umwelt möglich ist.
Pflanzen, die mit klassischen
Verfahren gezüchtet wurden, gelten als "natürlich" und brauchen
keine besonderen Zulassungsverfahren zu durchlaufen. Längst
haben sich jedoch neue Methoden in der Züchtung etabliert, die
ebenfalls auf molekularer oder zellbiologischer Ebene ansetzen,
jedoch keine "gentechnisch veränderte Pflanzen" im Sinn der
Gesetze hervorbringen. Anders als es die Öffentlichkeit
wahrnimmt, sind aus wissenschaftlicher Perspektive die Grenzen
zwischen gentechnischen und klassischen Züchtungsverfahren
fließend. Ob ein neues Verfahren eher der Gentechnik oder der
herkömmlichen Züchtung zugeordnet wird, hat weit reichende
Auswirkungen - auf die einzuhaltenden Rechts- und
Zulassungsvorschriften, aber auch auf Akzeptanz und öffentliche
Wahrnehmung.
BioSicherheit: Herr Müller-Röber, Sie sind einer der
Autoren der Studie zu aktuellen Entwicklungen der Grünen
Gentechnik, die die Berlin-Brandenburgische Akademie der
Wissenschaften gerade herausgegeben hat. Im ersten Kapitel geht
es um Smart Breeding – was genau verbirgt sich hinter diesem
Schlagwort?
Müller-Röber: Smart Breeding ist klassische Züchtung auf
eine neue Stufe gehoben. In der klassischen Züchtung werden zwei
Pflanzen gekreuzt und man wählt unter den Nachkommen diejenigen
Pflanzen aus, die die gewünschte Eigenschaft geerbt haben.
Ausgewählt wird anhand des Phänotyps, also des
Erscheinungsbildes der ausgewachsenen Pflanze. Seit einigen
Jahren gibt es nun moderne Verfahren, um genau die Gene zu
identifizieren, die ganz spezifisch für bestimmte Eigenschaften
zuständig sind. Dadurch kann man bei den Nachkommen einer
Kreuzung bereits in einem sehr frühen Stadium auf genetischer
Ebene untersuchen, ob das entsprechende Gen eingekreuzt wurde
oder nicht. Die Züchter können so in kurzer Zeit Hunderte,
Tausende, Zehntausende Pflanzen screenen und gezielt nur noch
die weiterkultivieren, die das entsprechende Gen tragen. Das
spart Zeit und Geld.
BioSicherheit: Gibt es mit dieser Methode denn bereits
Erfolge? Sind schon Produkte auf dem Markt?
Müller-Röber: Einige Pflanzen sind in der Entwicklung,
aber es wird sicher noch eine Weile dauern, bis sie reif für den
Markt sind. Das neuseeländische Unternehmen HortResearch hat das
Verfahren genutzt, um eine heute am Markt verkaufte Apfelsorte
so zu verändern, dass sie statt weißem rotes Fruchtfleisch
bildet. Das ist über klassische Züchtung bei Apfelbäumen
schwierig, weil es einfach sehr lange dauert, bis die Pflanzen
Früchte tragen. Mit Smart Breeding werden Gensequenzen
identifiziert, die für Enzyme codieren, die die Bildung
bestimmter Farbstoffe ermöglichen. Dann kann man aus Kreuzungen
die Pflanzen selektieren, die das entsprechende Gen-Fragment
tragen.
BioSicherheit: Smart Breeding wird von
Gentechnik-Kritikern teilweise bereits als Nachfolger der
Gentechnik gehandelt. Brauchen wir deren Methoden in Zukunft
nicht mehr?
Müller-Röber: Doch. Smart Breeding ist ja eigentlich
klassische Züchtung, nur dass nicht mehr auf der phänotypischen
sondern auf der DNA -Ebene gescreent wird. Das heißt, Smart
Breeding ist nur möglich, wenn das Gen für ein gewünschtes
Merkmal in einer kreuzbaren Wildpflanze vorhanden ist. Das ist
aber nicht immer der Fall. Wenn es darum geht, Pflanzen so zu
verändern, dass sie Rohstoffe für die chemische Industrie
produzieren, also zum Beispiel ein neues Polymer, ein
industriell wichtiges Enzym oder ein pharmazeutisch relevantes
Protein, kann Smart Breeding überhaupt nicht helfen. Da muss es
über den klassischen transgenen Ansatz gehen.
BioSicherheit: Ein weiterer moderner Ansatz, den sie ebenfalls
in Ihrer Studie ansprechen, ist die Cisgen-Technologie. Was
unterscheidet cisgene von transgenen Pflanzen?
Müller-Röber: Bei der transgenen Pflanze werden in die
Pflanze Transgene eingeführt, das heißt Gene aus anderen
Organismen. Diese können mit der Pflanze kreuzbar sein, müssen
es aber nicht. Im Extremfall wird ein Gen aus einem Bakterium
oder sogar synthetische DNA eingeführt. Eine cisgene Pflanze
wird mit den gleichen Transformationstechnologien hergestellt,
aber die DNA ist ursprünglich aus der entsprechenden Pflanze
isoliert worden. Bevor man sie wieder in das pflanzliche Genom
re-integriert, kombiniert man bestimmte Teile. Man koppelt
beispielsweise eine Gensequenz für ein bestimmtes Enzym an ein
regulatorisches Element, das die Aktivität in bestimmten Zellen
oder Geweben steuert. So lässt sich erreichen, dass in der
cisgenen Pflanze das Protein, das sonst nur im Blatt gebildet
wird, auch in der Knolle produziert wird. Weiter gefasst geht es
bei der Cisgen-Technologie auch darum, nicht nur Gene der
gleichen Art zu verwenden sondern auch Gene aus Pflanzenarten,
die man kreuzen kann. In diesem erweiterten Sinne ist also auch
die Cisgen-Technologie artüberschreitend, aber man beschränkt
sich auf den Genpool von Pflanzen, die kreuzbar sind.
BioSicherheit: Pflanzen, die nur arteigene Gene
enthalten, werden in der Öffentlichkeit häufig weniger kritisch
bewertet als transgene Pflanzen. Ist das gerechtfertigt? Kann es
hier nicht genauso zu unvorhergesehenen Effekten kommen?
Müller-Röber: Aus wissenschaftlicher Sicht ist es relativ
egal, woher ein entsprechendes Gen kommt, ob aus einem Bakterium
oder aus einer anderen Pflanze. Entscheidend ist weniger der
Gentransfer an sich und die eingeführte Gensequenz, sondern
welche Eigenschaft mit dem Gentransfer gekoppelt ist. Ein Gen,
das aus einer anderen Pflanze - oder auch aus der gleichen
Pflanze - entnommen und anschließend mit anderen regulatorischen
Elementen wieder zurückgeführt wurde, kann, wie jedes andere
Transgen auch, wenig dramatische oder dramatische Effekte
erzeugen. Wissenschaftlich gesehen ist die Verwendung von
cisgenen Pflanzen kein Weg, um die Biosicherheit zu erhöhen. Es
ist lediglich eine weitere Möglichkeit der Veränderung.
Möglicherweise ist es eher ein psychologisches Signal, weil
Verbraucher pflanzeneigene Gene in Pflanzen offenbar eher
akzeptieren als beispielsweise bakterielle Gene.
BioSicherheit: Manche Wissenschaftler sprechen sich dafür
aus, cisgene Pflanzen im Zuge kommerzieller Zulassungsverfahren
wie Produkte konventioneller Züchtung zu behandeln – obwohl bei
der Herstellung gentechnische Verfahren eingesetzt werden.
Teilen Sie diesen Standpunkt?
Müller-Röber: Hierzu habe ich keine abschließende
Meinung. Ich würde eher fragen: Wie beeinflussen wir mit
klassischer Züchtung die Pflanzeneigenschaften, und welchen
Einfluss hat im Vergleich dazu der transgene oder cisgene
Ansatz? Und wenn ich zu dem Ergebnis komme, dass ich eine
physiologische Veränderung genauso oder ähnlich mit klassischer
Züchtung erreichen kann, dann sollte das auf jeden Fall in die
Bewertung mit einfließen. Natürlich ist es für ein
Regularienwerk immer schwierig, die Grauzonen abzudecken. Bisher
sind cisgene Pflanzen gar nicht bewertet – es ist nicht klar, ob
man sie als transgene Pflanzen oder Pflanzen der klassischen
Züchtung behandeln soll, das wird international diskutiert. Man
könnte sich auf den Standpunkt stellen, dass cisgene Pflanzen
möglicherweise nicht unter die Gesetze für transgene Pflanzen
fallen. Aber das ist eine offene Diskussion, die ist bisher
nicht entschieden.
BioSicherheit: In den EU-Rechtssystemen ist die
Zulassungsbeschränkung von der technologischen Methode abhängig,
mit der die Pflanze hergestellt wurde. Das heißt, gentechnisch
veränderte Pflanzen müssen mit großem Aufwand genehmigt werden,
Pflanzen die durch moderne Züchtungsmethoden entstanden sind
unterliegen gar keinen Zulassungsbeschränkungen, obwohl auch
hier teilweise tief greifende Veränderungen stattfinden. Ist der
technologische Fokus gerechtfertigt?
Müller-Röber: Die Technologie in den Vordergrund zu
stellen halte ich für wenig sinnvoll. Man muss das Produkt als
solches bewerten. Um es noch mal zu betonen: Ich glaube, es geht
nicht so sehr um die Art der Herstellung, sondern um die
Auswirkung auf die Pflanze und die Eigenschaft des entstehenden
Produkts - und da ist es relativ egal, ob ein Transgen- oder
Cisgen- oder ein anderes Verfahren eingesetzt wurde. Auch mit
einer cisgenen Technologie lässt sich ein toxisches Gen in eine
Pflanze einführen. Mein Plädoyer wäre, die Eigenschaft in den
Vordergrund zu stellen, also das, was letztlich auf dem Acker
landet oder auf dem Teller. Und das sollte man auch in der
Öffentlichkeit kommunizieren. Alle Technologien, die uns heute
zur Verfügung stehen, können verschiedene Wirkungen haben. Ob
jemand so weit geht zu sagen, auch eine klassisch gezüchtete
Pflanze muss nach diesen Kriterien bewertet werden, ist eine
andere Frage.
BioSicherheit: Wie sieht die Zukunft der Grünen
Gentechnik aus?
Müller-Röber: In Zukunft werden wir auch Pflanzen
entwickeln, die in Teilaspekten über klassische Züchtung oder
Smart Breeding entstanden sind und dann über den transgenen
Ansatz eine andere physiologische oder technische Eigenschaft
koppeln. In Zukunft wird es wahrscheinlich eine Kombination aus
Technologien geben.
BioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch.
Source:
http://www.biosicherheit.de/de/aktuell/557.doku.html
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Prof. Dr. Bernd Müller-Röber;
Universität Potsdam und
Max-Planck-Institut für
Molekulare Pflanzenphysiologie
Potsdam / Golm.
Er ist Mitautor eines gerade
erschienenen Ergänzungsbandes
zum Gentechnologiebericht der
Berlin-Brandenburgischen
Akademie der Wissenschaften, der
sich mit aktuellen Entwicklungen
in Wissenschaft und Wirtschaft
beschäftigt.
Smart Breeding (auch:
Präzisionszüchtung) verläuft
grundsätzlich wie die klassische
Züchtung. Das Ziel sind
natürliche Nachkommen zweier
Elternlinien mit einer
bestimmten Eigenschaft.
Voraussetzung ist, dass man das
Gen bzw. eine bestimmte
Genvariante kennt, welche diese
Eigenschaft vermittelt. Auf
DNA-Ebene kann unmittelbar
überprüft werden, ob das
gewünschte Gen in den Nachkommen
vorhanden ist.
In cisgene Pflanzen werden zwar
mit Hilfe von
Rekombinationstechniken neue
Gene eingeführt. Anders als bei
transgenen Pflanzen stammen
diese Gene und weitere Elemente
des eingeführten Genkonstrukts
ausschließlich aus dem Genpool
der jeweiligen Pflanzenart.
Kreuzen cisgene Pflanzen aus,
werden keine "artfremden" Gene
weitergegeben. |
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