Germany
July 17, 2007
SAATEN-UNION News Nr.
47
Das Klima verändert sich nicht erst seit einigen Jahren – in den
vergangenen hundert Jahren hat sich die Vegetationsperiode in
Süddeutschland bereits um über zwei Wochen ausgedehnt. Zwar
werden sich kurzfristig die regional geltenden
Saatzeitempfehlungen aufgrund der erwarteten Zunahme der
Klimaschwankungen sowohl bei Winter- als auch bei Sommergetreide
nicht wesentlich ändern. Langfristig kann dies jedoch durchaus
notwendig werden, um Krankheiten besser beherrschen zu können.
Ulrike Nickl, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft,
erläutert mögliche Konsequenzen für die süddeutsche
Landwirtschaft.
Die Jahresmitteltemperatur hat innerhalb der letzten 100 Jahre
in Deutschland um durchschnittlich 0,8 °C zugenommen (s. Abb.
1). Nach neuesten Studien im Auftrag des Umweltbundesamts wird
ein weiterer Anstieg der mittleren Temperatur von bis zu 3 °C
bis zum Jahr 2100 erwartet, wobei mit einem stärkeren Anstieg
der Winter- als der Sommertemperaturen zu rechnen ist. Die
durchschnittliche Jahresniederschlagsmenge wird sich
voraussichtlich wenig ändern, die Verteilung hingegen schon. Die
Sommerniederschläge sollen bis ins Jahr 2100 im süddeutschen
Raum im Durchschnitt um etwa 20 % zurückgehen, wohingegen die
Winterniederschläge – mit stark regionalen Unterschieden –
zunehmen werden.
Winterungen: Saatzeit Richtung Spätherbst
Wegen des erwarteten Temperaturanstiegs muss zukünftig davon
ausgegangen werden, dass die ersten Herbstfröste im langjährigen
Mittel später und die letzten Frühjahrsfröste früher auftreten
als bisher. Auch ist bis zum Jahr 2100 mit einer Verlängerung
der Vegetationsperiode um bis zu einigen Wochen zu rechnen.
Aufgrund der immer später einsetzenden Vegetationsruhe im Herbst
wird sich, bei gleichbleibendem Sortenverhalten, die optimale
Saatzeit der Winterungen langsam aber stetig in Richtung
Jahresende verlagern. Erfolgt diese Anpassung im Laufe der Jahre
nicht, werden durch die verlängerte Vegetationszeit im Herbst
alle Nachteile einer Frühsaat auftreten. Die zu erwartenden
Folgen wären eine Zunahme von Schädlingen und Krankheiten wie
Fritfliege, Schneeschimmel, Halmbruch und Virosen, sowie eine
stärkere Herbstverunkrautung. Außerdem wäre bei Wintereintritt
mit sehr dichten und weit entwickelten Beständen zu rechnen. Ein
früher und vermehrter Befall von Blattkrankheiten, insbesondere
Mehltau und ein erhöhtes Auswinterungsrisiko sind die Folgen.
Experten erwarten eine Zunahme der Klimavariabilität, d. h. eine
Zunahme der Klimaunterschiede von Jahr zu Jahr. Eine Anpassung
der Sorten und der Produktionstechnik an diese wechselnden
Verhältnisse ist schwierig. Wegen der zunehmenden
Klimaschwankungen sollte die Aussaat nahe am regional bewährten
Saattermin, der sich mit der Zeit weiter Richtung Jahresende
verlagern wird, erfolgen. Frühsaaten werden in Zukunft häufiger
zu überwachsenen Beständen und zu Auswinterungsschäden führen.
Sommerungen profitieren
Innerhalb der letzten 100 Jahre hat sich der Vegetationsbeginn
um ca. eine Woche nach vorne verschoben. Aufgrund dieses sich
weiter fortsetzenden Trends wird die Saatzeit bei Sommergetreide
allmählich vorverlegt werden. Die dadurch erzielte Verlängerung
der Wachstumszeit wirkt sich in der Regel positiv auf die
Erträge aus. Es ist jedoch davon auszugehen, dass durch die
Temperaturerhöhung die Entwicklungsphasen des Getreides, wie
z.B. die Kornfüllungsphase, verkürzt werden. Dies wiederum kann
zu Ertragseinbußen führen (s. praxisnah 2/2007).
Bei einer vorhergesagten Abnahme der Sommerniederschläge kann
durch eine stetige Vorverlegung der Sommersaat die Winterfeuchte
besser ausgenutzt werden. Da deutschlandweit eine klare Zunahme
der Winterniederschläge in den nächsten Jahrzehnten vorhergesagt
wird, bleibt abzuwarten, ob die Bodenfeuchte in Zukunft eine
frühere Saat erlaubt. Die bestehende Beratungsempfehlung, die
Saat möglichst früh vorzunehmen, wenn der Boden abgetrocknet
ist, behält somit auch weiterhin ihre Gültigkeit.
Durch den Anstieg der Jahresmitteltemperatur und der Abnahme der
Sommerniederschläge wird sich das Krankheitsspektrum im
Getreidebereich ändern. Es wird erwartet, dass wärmeliebende
tierische Schädlinge wie Getreidehähnchen, Zikaden und
Blattläuse und Getreideviren, die durch wärmeliebende Insekten
übertragen werden, künftig zunehmen. Auch Pilzkrankheiten wie
die Roste, denen kurze Feucht- oder Tauphasen zur Ausbreitung
reichen, werden vermehrt auftreten. Witterungsbedingte Schäden
durch hohe Sonneneinstrahlung und Trockenheit nehmen ebenfalls
zu. Dagegen werden Schnecken und alle Schädlinge und
Krankheiten, die auf Niederschläge und längere Feuchtphasen
angewiesen sind (Septoria- Blattdürre, Rhynchosporium –
Blattflecken) an Bedeutung verlieren.
Die Landwirtschaft muss sich jetzt mit dem Klimawandel
auseinandersetzen, denn dieser wird weiter fortschreiten. Selbst
bei einem sofortigen Stopp der klimawirksamen Emissionen würde
der Klimawandel noch einige Jahrhunderte weiter voranschreiten.
Original:
http://www.saaten-union.de/index.cfm/nav/329/article/3078.html
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