Groß Lüsewitz, Germany
February 27, 2007
Source:
Bundesanstalt für
Züchtungsforschung
http://www.bafz.de/baz2006V4/uploads/media/PM_BAZ2007_01_31.pdf
Wissenschaftlern an der
Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen in
Groß Lüsewitz ist es gelungen, einen Abschnitt im Erbgut des
Roggens zu identifizieren, der einer der bedeutendsten
Ährenkrankheiten des Roggens, dem Mutterkornpilz entgegenwirkt.
Ähren des Roggens sind in besonderem Maße empfänglich für die
Pilzsporen eines gefährlichen Ährenparasiten, des
Mutterkornpilzes (Claviceps purpurea), vor allem, wenn das
Angebot an Pollen gering ist. Einer Forschergruppe an der
Bundesanstalt für Züchtungsforschung in Groß Lüsewitz ist es
jetzt gelungen, einen Abschnitt im Erbgut des Roggens
einzugrenzen, der die Blüte unempfänglich für die Pilzsporen
macht. Dazu haben sie systematisch Teile des Erbgutes von Roggen
mit dem vollständig entschlüsselten Genom der Reispflanze
verglichen und kurze DNA-Abschnitte identifiziert, die im Roggen
eng benachbart zu einem Gen liegen, welches in modernen
Hochleistungssorten zu einer starken Pollenschüttung führt
(Bericht über die 57. Tagung 2006 der Vereinigung der
Pflanzenzüchter und Saatgutkaufleute Österreichs HBLFA
Raumberg-Gumpenstein, 21.-23. November 2006).

A) Laboranalyse von
Roggenkeimlingen einige Tage nach der Aussaat
B) Genetischer Fingerabdruck von Roggenpflanzen;
bestimmte DNA-Markerfragmente (Pfeile) sind mit dem
Pollenschüttungsgen Rfp1 genetisch assoziiert. Diese
Marker zeigen somit die An- oder Abwesenheit von Rfp1 an
(roter bzw. grauer Kasten).
C) Fehlt Rfp1, tragen die Ähren der Pflanzen nicht zum
Pollenangebot in einem Roggenbestand bei;
Mutterkornausbildung (E) kann die Folge sein.
D) Die Gegenwart des Rfp1-Gens führt zur Ausbildung voll
entwickelter Staubgefäße und in der Folge zu einer
starken Pollenschüttung der betreffenden Pflanzen im
Feldbestand.
Abbildungen A-D: BAZ, Institut für
landwirtschaftliche Kulturen
Abbildung E: M. Welling (mit freundlicher Genehmigung),
veränd.
Die Anbaufläche von Roggen wird in
Deutschland im Jahr 2007 um rund 24 Prozent auf ca. 670.000 ha
zunehmen. Roggen wird wegen seiner Anspruchslosigkeit im Anbau
sowie seiner Vielseitigkeit in der Verwertung, beispielsweise
als Futtergetreide in der Tierernährung, als nachwachsender
Rohstoff für die Bioethanolgewinnung, als Biomassepflanze für
die Energiegewinnung und natürlich als gesundes Brotgetreide,
geschätzt. Doch sein guter Ruf leidet darunter, dass der Roggen
die bevorzugte Wirtspflanze eines gefährlichen Ährenparasiten,
des Mutterkornpilzes, ist.
Im Gegensatz zu Weizen und Gerste kann sich der Roggen nicht
selbst befruchten, sondern ist auf Befruchtung durch den Pollen
anderer Roggenpflanzen angewiesen. Der Fremdbefruchter Roggen
spreizt deshalb während der Blütezeit seine Ährchen weit
auseinander, um fremden Pollen auffangen zu können. Wegen dieser
Eigenschaft ist er in besonderem Maße empfänglich für die
Pilzsporen des Mutterkornpilzes vor allem, wenn das Angebot an
Pollen gering ist und Blütchen in der Roggenähre unbestäubt
bleiben. Beim Mutterkorn handelt es sich um Überdauerungsformen
(Sklerotien) des parasitären Schlauchpilzes Claviceps purpurea.
Die Sklerotien enthalten Mykotoxine, die zur Gruppe der
Alkaloide zählen und beim Verzehr für Menschen und Tiere
gleichermaßen gesundheitsschädlich sein können. Insbesondere der
Anbau neuer und leistungsstarker, aber auch für den Pilz
empfänglicherer Hybridroggensorten führte zu ansteigendem Befall
mit Claviceps purpurea. Trotz großer Anstrengungen der
Landwirtschaft ist insbesondere in feuchten Jahren, wenn
aufgrund ungünstiger Witterung zum Zeitpunkt der Roggenblüte
wenig Pollen zur Verfügung steht, mit verstärkter
Mutterkornkontamination des Erntegutes zu rechnen.
Das Pollenschüttungsvermögen
moderner Roggensorten kann durch bestimmte Gene – sog.
Restorergene -, die in exotischen, für den Anbau selbst nicht
geeigneten Roggenherkünften gefunden wurden, entscheidend
verbessert werden. Das direkte Erkennen solcher Gene in einer
Pflanze ist jedoch nicht ohne weiteres möglich und erfordert
zudem kostbare Zeit. Am Institut für landwirtschaftliche
Kulturen der Bundesanstalt für Züchtungsforschung an
Kulturpflanzen (BAZ) in Groß Lüsewitz hat man sich daher die
Optimierung eines indirekten Diagnoseverfahrens zur Aufgabe
gestellt, mit dessen Hilfe eines dieser wertvollen Gene, Rfp1,
für die Schaffung gesünderer Roggensorten effizienter genutzt
werden kann. Dazu mussten die Wissenschaftler den Ort des
Roggengenoms, wo das Restorergen Rfp1 lokalisiert ist, so eng
mit molekularen Genom-Markern abstecken, dass Rfp1 möglichst
punktgenau, d.h. separat von weiteren, nachteilig wirkenden
Genen der exotischen Roggenherkunft, erfasst werden kann.
"Unsere Aufgabe bestand darin,
molekulare Diagnosemarker zu entwickeln, die uns im riesigen
Genom des Roggens als eine Art Wegweiser dienen können. Solche
Marker ermöglichen es uns, in kurzer Zeit unter vielen tausend
Pflanzen jene gezielt und sicher aufzuspüren, die das erwünschte
Merkmal – gute Pollenschüttung – von den Kreuzungseltern geerbt
haben" erklärt Züchtungsforscher Dr. Bernd Hackauf. Um diese
Aufgabe zu lösen, hat die Groß Lüsewitzer Arbeitsgruppe die
Informationen aus dem vollständig entschlüsselten Reisgenom
quasi als Schablone genutzt und nach DNA-Segmenten gefahndet,
die im Roggen im Bereich des Rfp1-Gens lokalisiert sind. Die auf
diese Weise neu entwickelten genetischen Diagnosemarker erlauben
nun mit einer Fehlerquote von weniger als 0,005 % eine zuvor
nicht dagewesene Präzision hinsichtlich der Aussage, ob das
gewünschte Rfp1-Gen in einer Pflanze vorliegt oder nicht. Dazu
Institutsleiter Dr. Peter Wehling: "Die entschlüsselten
Reis-Genomdaten liefern mittlerweile wertvolle Einblicke in das
Erbgut von evolutionär verwandten Pflanzen wie zum Beispiel den
Getreidearten. Damit ist nun auch für wirtschaftlich kleinere
Fruchtarten wie dem Roggen die Möglichkeit geschaffen, auf
systematische Weise molekulare Werkzeuge für den Nachweis
wertvoller Merkmalsgene aus pflanzengenetischen Ressourcen zu
entwickeln."
Originalveröffentlichung:
Bernd Hackauf, Heinrich Wortmann & Peter Wehling
Nutzung von genomischen Ressourcen aus Reis und Gerste zur
gezielten Markierung von Genen der
Befruchtungskontrolle bei Roggen.
Bericht über die 57. Tagung 2006 der Vereinigung der
Pflanzenzüchter und Saatgutkaufleute Österreichs
HBLFA Raumberg-Gumpenstein, 21.-23. November 2006, S. 33-36. |
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