Berlin, Germany
February 17, 2006
Der Bundestag hat das dritte Gesetz zur Änderung des
Gentechnikgesetzes beschlossen. Wenn der Bundesrat dem zustimmt,
ist die Freisetzungsrichtlinie, die das Gentechnikrecht auf
EU-Ebene regelt, in nationales Recht umgesetzt. Bei der jetzigen
Gesetzesänderung handelt es sich überwiegend um Form- und
Verfahrensvorschriften. Für den kommerziellen Anbau gentechnisch
veränderter Pflanzen ergeben sich keine Änderungen. Damit steht
aber nach wie vor eine grundlegende Novellierung des deutschen
Gentechnikgesetzes zu den wichtigen Fragen der Koexistenz und
Haftung offen, erklärte
der Deutsche Bauernverband (DBV).
Der DBV hat immer wieder betont, dass angesichts der großen
Ressentiments in der Bevölkerung gegenüber der Grünen Gentechnik
verlässliche Regelungen für die Koexistenz in der gesamten
Produktionskette geschaffen werden müssen. Bisher hätten sich
Bund und Länder nicht auf eine für alle Bauern verbindliche gute
fachliche Praxis beim Einsatz der Gentechnik verständigt. Ebenso
fehle auf europäischer Ebene ein Schwellenwert für Saatgut, der
die Einhaltung der Grenzwerte bei der Produktion von
pflanzlichen Nahrungsmitteln gewährleistet, erklärte der DBV.
Berlin, Germany
February 28, 2006
Rundschreiben
IV/116/2006
Das dritte Gesetz zur Änderung des
Gentechnikgesetzes
Der Bundestag hat mit den Stimmen der Koalition
das dritte Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes
verabschiedet und dem Bundesrat zugeleitet. Das Gesetz dient der
vollständigen Umsetzung der sogenannten Freisetzungsrichtlinie
2001/18/EG. Sie regelt auf Ebene der Europäischen Union die
Freisetzung (zu Erprobungs- oder Forschungszwecken) sowie das
Inverkehrbringen von genetisch veränderten Organismen.
Entsprechend dem Vorsorgeprinzip sind die Ziele, die
Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften aller
Mitgliedstaaten sowie der Schutz der menschlichen Gesundheit
und Umwelt.
Die Richtlinie ist am 17. April 2001 in Kraft
getreten und war bis zum 17. Oktober 2002 in Nationales Recht
umzusetzen. Das am 21. Dezember 2004 vom Deutschen Bundestag
verabschiedete Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts hat
bereits Teile der Richtlinie umgesetzt, eine vollständige
Umsetzung steht bislang aber aus. Deshalb droht der
Bundesrepublik Deutschland nach einem Urteil des Europäischen
Gerichtshofes ein Vertragsverletzungsverfahren und ein
Zwangsgeldverfahren wurde eingeleitet. Das Gesetz verfolgt neben
der Anpassung an die Änderung der Bezeichnung von
Bundesministerien den alleinigen Zweck, die Umsetzung und
Durchführung der Freisetzungsrichtlinie sicher zu stellen. Die
einzelnen Gesetzesänderungen betreffen unter anderem folgende
Punkte:
-
Für das Verbringen eines gentechnisch
veränderten Organismus von einer gentechnischen Anlage in
eine andere entfällt in Zukunft die Genehmigung zum
Inverkehrbringen.
-
Nach altem Gesetz bedarf ein Erzeugnis einer
Genehmigung für das Inverkehrbringen, das für die
unmittelbare Verwendung als Lebens- oder Futtermittel oder
für die Verarbeitung vorgesehen ist, sofern die gentechnisch
veränderten Organismen einen Anteil von 0,5 % in dem
Erzeugnis nicht überschreiten und das Vorhandensein der
GVO´s zufällig oder technisch nicht zu vermeiden ist.
-
Neu ist jetzt, dass auf Verlangen der
zuständigen Behörde der Inverkehrbringer nachweisen muss,
dass er alle geeigneten Maßnahmen getroffen hat, um das
Vorhandensein dieser genannten Spuren zu vermeiden.
-
Die Genehmigung von Freisetzungen wurde
vereinfacht: Gab es nach altem Gesetz nur eine Genehmigung
für die Freisetzung eines gentechnisch veränderten
Organismus an einem oder verschiedenen Standorten oder
umgekehrt, eine Genehmigung für unterschiedliche
gentechnisch veränderte Organismen an nur einem Standort,
ist es nach neuem Gesetz nun auch möglich, Kombinationen
unterschiedlicher GVO´s auch an verschiedenen Standorten mit
lediglich einer Genehmigung zu beantragen.
-
Das neue Gesetz eröffnet jetzt die
Möglichkeit eines sogenannten vereinfachten Verfahrens bei
der Genehmigung von Freisetzungen: Dies kann angewendet
werden, wenn in bestimmten Ökosystemen genügend Erfahrungen
gesammelt worden sind.
-
Nach Anhörung des Ausschusses für
gentechnische Arbeiten in gentechnischen Anlagen können
durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates jetzt
vereinfachte Verfahren bei der Freisetzung durchgeführt
werden.
-
Insbesondere können in Verbindung mit einer
Rechtsordnung abweichende Regelungen über das
Anhörungsverfahren bei Freisetzungen getroffen werden.
-
Die Antragsunterlagen beim Zulassungsantrag
bei Freisetzung erfordern nach dem neuen Gesetz einen Plan
zur Ermittlung der Auswirkung des freizusetzenden
Organismus auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt.
-
Zusätzlich ist jetzt eine Zusammenfassung
der gesamten Antragsunterlagen dem Antrag beizufügen.
-
Das alte Gesetz sieht vor, über einen Antrag
auf Genehmigung einer Freisetzung innerhalb einer Frist von
90 Tagen nach Eingang des Antrages zu entscheiden.
-
Die Frist ruht jedoch während der
Zeitspannen, während der die zuständige Bundesoberbehörde
vom Betreiber des Freisetzungsversuches gegebenenfalls
angeforderte weitere Unterlagen abwartet oder eine
Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt wird.
-
Nach neuem Gesetz ruht diese Frist nach wie
vor wenn Unterlagen nachgefordert werden; neu ist jedoch,
dass sich durch eine Anhörung der Öffentlichkeit die Frist
um maximal 30 Tage verlängert. Konnte also nach altem Gesetz
die Öffentlichkeitsbeteiligung das Genehmigungsverfahren
unendlich in die Länge ziehen, ist dies nach neuem Gesetz
nicht mehr möglich.
-
Nach altem Gesetz gilt die Genehmigung für
ein Inverkehrbringen für höchstens zehn Jahre, eine
Verlängerung der Genehmigung erfolgt ebenfalls für zehn
Jahre. Die Verlängerung kann nach altem Gesetz für einen
kürzeren oder längeren Zeitraum ausgesprochen werden.
-
Nach neuem Gesetz kann eine Verlängerung nur
„aus besonderen Gründen“ über einen kürzeren oder längeren
Zeitraum ausgesprochen werden.
-
Auch bei der Vorlage von Unterlagen zur
Genehmigung von gentechnischen Anlagen, Freisetzung, oder
Inverkehrbringen hat sich einiges geändert:
-
Neu ist, dass ein Betreiber von
Freisetzungen oder gentechnischen Anlagen auch Unterlagen
eines Dritten heranziehen kann, die in einem vorangegangenen
Verfahren vorgelegen haben, es sein denn, es handelt sich
um vertrauliche Unterlagen.
-
Die Überwachungsauskunft und
Duldungspflichten der Betreiber von gentechnischen Anlagen
oder Inverkehrbringern wurden erheblich ausgeweitet. Wenn
die zuständige Oberbehörde verlangt, sind nicht nur die zur
Überprüfung erforderlichen Auskünfte zu erteilen, sondern
gegebenenfalls auch Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen,
wie z. B. Kontrollproben.
-
Neu ist, dass eine ungenehmigte Freisetzung
oder ein ungenehmigtes Inverkehrbringen eines Produktes
unverzüglich zu beenden ist. Das alte Gesetz lässt der
Bundesregierung einen Handlungsspielraum.
-
Nach dem neuen Gesetz ist diese
Ermessensentscheidung in eine gebundene Entscheidung
umgewandelt.
-
Mit dem § 28a „Unterrichtung der
Öffentlichkeit“ wurde in dem neuen Gesetz umfangreich
geregelt, dass die zuständige Behörde die Öffentlichkeit
unterrichten soll, wenn im Rahmen von Überprüfungen
festgestellt wurde, dass Anmeldungen von gentechnischen
Anlagen unterblieben sind, der Grund zum Widerruf einer
Genehmigung gegeben ist oder die vorhandenen
sicherheitsrelevanten Einrichtungen und Vorkehrungen nicht
mehr ausreichen.
-
Ebenso sind die die Ergebnisse der
Überwachung des Inverkehrbringens in allgemeiner Weise der
Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.
-
Personenbezogene Daten sind allerdings
ausgeschlossen, solange sie nicht zur Gefahrenabwehr
erforderlich sind.
-
Vor der Entscheidung über die
Veröffentlichung ist auch der Betroffene anzuhören.
-
Allerdings sind die zu veröffentlichenden
Informationen eingeschränkt, insbesondere wenn
Urherberrechte und der Schutz geistigen Eigentums dem
Informationsanspruch entgegenstehen.
-
Stellen sich die von der Behörde an die
Öffentlichkeit gegebenen Informationen im Nachhinein als
falsch hinaus oder die zu Grunde liegenden Umstände als
unrichtig wiedergegeben heraus, so hat die Behörde die
Öffentlichkeit darüber in der gleichen Art und Weise zu
informieren, wie sie zuvor die Informationen bekannt gegeben
hat.
-
Im Bußgeldkatalog ist neu aufgenommen, dass
ein Bußgeld zu zahlen ist, wenn ein Produkt nicht oder nicht
richtig beobachtet wird (Monitoring).
-
Bußgeldbewehrt ist auch, wenn der
zuständigen Behörde auf Verlangen nicht, nicht vollständig
oder nicht richtig Auskunft erteilt oder ein Hilfsmittel
nicht zur Verfügung gestellt wird.
Bewertung:
Das Gesetz schafft Vereinfachungen beim
Genehmigungsverfahren von Freisetzungen. Insbesondere ist jetzt
mit einer Genehmigung der Anbau verschiedener GVO an
unterschiedlichen Standorten möglich. Mit der Einräumung des
vereinfachten Verfahrens und der Nutzung Unterlagen Dritter
beim Antrag wird das Verfahren ebenfalls vereinfacht. Die
Kürzung der Fristunterbrechung bei Öffentlichkeitsbeteiligung
auf maximal 30 Tage sorgt für einen zügigeren Ablauf des
Verfahrens. Andererseits ist für die genehmigungsbeantragenden
Unternehmen der Aufwand durch Erhöhung des Umfanges der
Zulassungsantragspapiere erhöht worden. Neben einer
Risikobewertung sind nun auch ein Plan zur Ermittlung der
Auswirkungen der freizusetzenden Organismen und eine
Zusammenfassung aller Unterlagen zu erstellen.
Insbesondere der neu eingeführte § 28a
„Unterrichtung der Öffentlichkeit“ sorgt für ausreichenden
Schutz der Verbraucher bei bekannt werden von Risiken im
Zusammenhang mit GVO´s.
Bei diesem Gesetzentwurf wurden wesentliche
Punkte, wie:
-
der Zugang der Öffentlichkeit zum
Standortregister,
-
die Ursachenvermutung sowie
-
die Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen
nicht bearbeitet.
Für den kommerziellen und praktischen Anbau von
gentechnisch veränderten Pflanzen zum Anbau 2006 ändert sich
damit nichts. Im eigenen Interesse kann deshalb nach wie vor den
Landwirten vom Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen nur
abgeraten werden. Nach wie vor plant die Regierungskoalition
eine grundlegende Novellierung des Gesetzes, um den Anbau
genetisch veränderter Pflanzen in Deutschland zu vereinfachen.
Ein Zeitplan für eine solche Gesetzesnovelle liegt derzeit aber
nicht vor.
Deutscher
Bauernverband e. V. |