Quelle:
praxisnah,
Saaten-Union Newsletter
Nr. 41
Der
Wandel der wesentlichen klimatischen Faktoren beeinflusst
zunehmend unsere landwirtschaftlichen Nutzpflanzen. Auf was
müssen sich die Landwirte/innen mittelfristig einstellen?
praxisnah befragte Dr. Lissy Kuntze (Foto), Braugerstenzüchterin
bei der Nordsaat Saatzuchtgesellschaft mbH, zu ihren Prognosen.
Frau Dr. Kuntze, wird
unsere Sommergerste Opfer des Klimawandels?
Besondere Sorge bereitet mir, dass die Zunahme der Wetterextreme
immer wahrscheinlicher wird. Die lang anhaltende Trockenperiode
in diesem Jahr führte auch bei der Sommergerste zu
Ertragsverlusten gekoppelt mit schlechter Sortierung. Den
deutschen Mälzern fehlen aus der Ernte 2006 ca. 1 Mio. t
braufähige Sommergerste! Auch die zunehmenden
Starkregenereignisse können zu verheerenden Ausfällen führen.
Die derzeitig zu beobachtenden tendenziellen Veränderungen in
Temperatur und Wasserverteilung lassen bisher nur geringfügige
Veränderungen in der Pflanzenentwicklung erkennen. Die
Wachstumsphasen werden stark durch den Witterungsverlauf
gesteuert – Niederschlagsmenge und -verteilung, Temperaturen im
Vegetationsverlauf, Sonnenscheindauer und CO2-Konzentration.
Steigende Durchschnittstemperaturen werden z.B. die einzelnen
Entwicklungsphasen bei Sommergerste verändern: So führt
Wassermangel in Kombination mit Temperaturerhöhung zu einer
Verkürzung des Biomassezuwachses und damit in der Regel zu einem
Ertragsverlust.
Werden unsere Pflanzen dann zukünftig kränker ?
Klimawandel bedeutet für die Pflanzen vor allem
häufigere Stresssituationen. Je mehr Stress, desto anfälliger
wird die Pflanze für biotische und abiotische Krankheiten sowie
Schaderreger.
Einige Wetterkonstellationen begünstigen aber ganz einfach auch
die Entwicklung der Schaderreger, so dass der Infektionsdruck
steigt.
In den letzten Jahren beobachten wir eine Zunahme der
nichtparasitären Blattflecken mit regionalen Unterschieden. Die
betroffenen Bestände reifen schneller ab und schöpfen das volle
Ertragspotenzial nicht mehr aus. Innerhalb des Ursachenkomplexes
spielt die Strahlung eine wichtige Rolle.
Hohe Temperaturen in Verbindung mit sinkenden Niederschlägen
können eine Zunahme an tierischen Schaderregern zur Folge haben:
Zum Beispiel bei Sommergerste ein erhöhter bzw. stärkerer
Blattläusebefall.
Positiv ist, dass bei steigenden Temperaturen und Trockenheit
Pilzkrankheiten wie Rhynchosporium secalis seltener auftreten
werden, da die Pilze für ihre Verbreitung Wasser benötigen.
Wie
züchten Sie stresstolerante Sorten?
Wir versuchen bereits bei der Kreuzung "robuste" Eltern
auszuwählen. Die Selektion des jungen Zuchtmaterials unter
abiotischen Stressbedingungen ist ein weiterer wichtiger Punkt
in der gezielten Sortenentwicklung. Hier werden Typen mit
schneller Jugendentwicklung, frühem Ährenschieben und Reife
ausgewählt. Auch die Standfestigkeit haben wir fest im Blick,
denn das Risiko plötzlicher und starker Regenfälle stellt
zunehmend höhere Ansprüche an die Standfestigkeit der
Sommergerste.
Auf den Wandel des Spektrums der biotischen und abiotischen
Krankheiten wird die Pflanzenzüchtung mit veränderten Prüf- und
Selektionsbedingungen reagieren.
Da Klimawandel aber nicht von heute auf morgen passiert, können
wir mit unseren modernen Zuchtmethoden die Sorten kontinuierlich
anpassen.
Welche Sommergerstensorten haben 2006 die Trockenheit am
besten verkraftet ?
Die Landessortenversuche 2006 lassen bei der
Betrachtung von speziellen Standorten klare Sortenunterschiede
bezüglich der Trockenstresstoleranz erkennen. In der Tabelle 1
sind die relativen und absoluten Kornerträge von geprüften
Braugerstensorten von 11 Stressstandorten aus 5 südlichen
Bundesländern dargestellt. Es wurden nur die Versuchsorte
ausgewählt, bei denen der Mittelwert des Kornertrages aller
Sorten deutlich unter dem 5-jährigen Mittel liegt.
Die Betrachtung der Daten zeigt deutlich, dass vor allem zwei
Sorten die Nase vorn haben: Trotz abiotischen Stresses
erreichten
MARTHE und
BELANA im Vergleich sehr hohe Erträge. Unsere
Züchtungsstrategien gehen also klar in die richtige Richtung und
wir sind überzeugt davon, dass wir auch zukünftig den
veränderten Bedingungen angepasste Sorten zur Verfügung stellen
können.
Vielen Dank für das Gespräch.