Berlin, Germany
August 17, 2006
Die derzeitigen vielerorts erheblichen Niederschläge haben
die Getreideernte auf der Zielgeraden ausgebremst. Für die
Hackfrüchte wie Kartoffeln und Rüben waren die Niederschläge ein
Segen, die Getreideernte dagegen kam annähernd zum Erliegen.
Nach den trockenheitsbedingten Problemen in den Vorwochen wächst
jetzt täglich die Gefahr, dass das reife Getreide wegen der
feuchten Witterung erheblich an Qualität verliert und die
ohnehin schwachen Ertragsergebnisse nochmals negativ belastet
werden. Für Futterbaubetriebe hingegen brachte der Regen etwas
Entspannung. Jedoch sind Mais und Grünland vielerorts stark
geschädigt, hier können keine nennenswerten Zuwächse mehr
erwartet werden. Dies erklärte der
Deutsche Bauernverband
(DBV) in seiner 3. Erntemeldung.
Witterungsbedingt steht derzeit noch auf rund 13 Prozent der
Getreideflächen die Ernte auf dem Halm. Während die Wintergerste
annähernd im gesamten Bundesgebiet abgeerntet wurde, stehen noch
etwa 20 Prozent des Weizens auf dem Feld. Insbesondere für die
süd- und südostdeutschen Landwirte ist die Ernte noch nicht
beendet. Anhand der bisherigen Ertragsschätzung wird die gesamte
Erntemenge an Getreide bei ca. 40,7 Millionen Tonnen liegen.
Damit liegt sie rund 11,5 Prozent unter dem Vorjahresergebnis.
Die anhand bisher vorliegender Daten geschätzte Zahl beinhaltet
jedoch auch die Werte für bislang nicht geernteten Körnermais.
Aufgrund der Trockenheit im Juni und Juli ist zu erwarten, dass
sich die Zahl noch weiter reduziert. Insgesamt ist somit die
Ernte 2006 für die Landwirte enttäuschend ausgefallen. Dabei
war man noch im Juni von guten bis sehr guten
Ertragserwartungen ausgegangen.
Die knappe Ernte spiegelt sich in diesem Jahr in höheren
Preisen wider. Je nach Getreideart und Region liegen sie um 1
Euro bis zu 2 Euro über dem Vorjahr. Diese positive Entwicklung
kann jedoch nicht isoliert betrachtet werden, denn gestiegene
Kosten für Produktionsmittel wie Düngemittel und Diesel zehren
einen Großteil der Mehrerlöse wieder auf. Trocknungskosten
entstanden bisher in diesem Jahr nicht, werden aber bei der noch
ausstehenden Ernte anfallen.
Bezogen auf die einzelnen Getreidearten ergibt sich
folgendes Bild:
Die Erntemenge von Wintergerste liegt bei knapp 8,7
Millionen Tonnen und damit 1,5 Prozent unterhalb der Ernte des
Vorjahres. Der Flächenertrag ging jedoch um 10,7 Prozent zurück.
Nur die Flächenausdehnung verhindert einen stärkeren Rückgang.
Da die Wintergerste als erste Kultur druschreif ist und
geerntet wird, sind die Schäden durch Hitze und Trockenheit bei
der Gerste am niedrigsten.
Deutlich schlechter dagegen sieht es bei der Sommergerste
aus, deren Erntemenge voraussichtlich um 23 Prozent auf 2,1
Millionen Tonnen zurückgehen wird. Ein erheblicher
Anbaurückgang, aber insbesondere Trockenheit und Hitze führten
zu erheblichen Mengeneinbußen. Späte Aussaat und frühe Abreife
haben die Wachstumszeit erheblich verkürzt, so dass die Phase
der Kornfüllung zu kurz geriet. Große Teile der Ware werden
nicht als Braugerste vermarktet werden können, sondern werden
mit entsprechenden Preisabschlägen in den Futtertrog wandern.
Die voraussichtliche Erntemenge von Roggen wird bei
etwa 2,35 Millionen liegen und damit um 16 Prozent unter dem
Vorjahresniveau. Es steht noch auf ca. 7 Prozent der Fläche die
Ernte auf dem Halm, große Mengen sind jedoch nicht mehr zu
erwarten. Zudem wächst mit jedem Tag Ernteverzögerung die Gefahr
von qualitätsminderndem Auswuchs. Große Ertragseinbußen sind
insbesondere in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zu
verzeichnen, hier sank der Ertrag um durchschnittlich 20
Prozent, regional bis zu 60 Prozent. Bislang waren die
Qualitäten zufrieden stellend.
Auch bei dem noch auf den Feldern stehenden Weizen
wächst mit jedem Tag die Gefahr von Qualitätsverlusten, was beim
Verkauf Preisabschläge zur Folge hat. In den Vorwochen wurde
guter backfähiger Weizen geerntet, allerdings halten sich die
Landwirte wegen steigender Preise mit dem Verkauf zurück. Mit
einer voraussichtlichen Erntemenge in Höhe 20,3 Millionen Tonnen
liegt die Weizenernte um 13,2 Prozent unter der Vorjahresernte.
Die Aussagen zu den Qualitäten, insbesondere den
Backeigenschaften sind überwiegend positiv.
Gelitten hat unter den bisherigen Witterungsverhältnissen
auch der Winterraps. Die Nachfrage nach Rapsöl zur
Produktion von Biodiesel und Pflanzenöl wächst weiter. Das
Angebot kann diese nur knapp bedienen. Daraus hat sich am Markt
jedoch ein sehr fester Preis gebildet, so dass die Landwirte vom
Boom im Biokraftstoffmarkt partizipieren. Die diesjährige Ernte
von 4,7 Millionen Tonnen liegt 6 Prozent unter der Erntemenge
des Vorjahres, allerdings war die Anbaufläche um 80.000 Hektar
ausgedehnt worden. Mit 33,4 Dezitonnen pro Hektar fällt der
erwartete Durchschnittsertrag in diesem Jahr um mehr als 11
Prozent niedriger als im Vorjahr aus. Besonders gelitten haben
die Bestände in Schleswig-Holstein und den östlichen
Bundesländern. Hier werden vereinzelt Ertragsrückgänge bis zu 70
Prozent gemeldet.
Bundesweite Durchschnittserträge spiegeln in diesem Jahr mit
seinem heißem Juni und Juli und den regional sehr
unterschiedliche Niederschlagsverteilungen sowie Trockenheit die
Situation in einzelnen Betrieben nicht wider. Auf Standorten,
die über Gewitter regelmäßige Niederschläge erhalten haben,
wurde eine gute Getreideernte eingeholt, aus Regionen mit
andauernder Trockenheit sind Ernteausfälle bis zu 80 Prozent
bekannt. Zu den besonders stark von Trockenheit und Hitze
betroffenen Regionen gehören der Süden und Osten Brandenburgs
sowie der Norden mit dem Übergang nach Mecklenburg-Vorpommern.
Auch in Schleswig-Holstein hat es bei Ackerbaubetrieben
vereinzelt Ausfälle bis zu 40 Prozent gegeben. Weitere Regionen
in Deutschland dürften ebenfalls betroffen sein. In diesen
Regionen drohen viele Betriebe in eine finanzielle Notlage zu
geraten, die auch Existenz bedrohend sein kann. Der DBV hat
damals Vorschläge für ein Liquiditätshilfeprogramm erstellt, das
von der Politik aufgenommen wurde. Erste Hilfsmaßnahmen, wie
Stundung von Steuern, Sonderkreditprogramm der
Landwirtschaftlichen Rentenbank sind bereits angelaufen. Zum
Ende der Ernte sind weitere Maßnahmen zu entscheiden. Vor allem
im Vorziehen der EU-Ausgleichszahlungen auf September sieht der
DBV eine wirksame Hilfe für existenzbedrohte Betriebe. Gerade in
den strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands haben die
Betriebe vielfältige Funktionen im ländlichen Raum, nicht
zuletzt sichern sie Arbeitsplätze sowohl auf den Betrieben als
auch im vor- und nachgelagerten Bereich.
Der in weiten Teilen Deutschlands dramatischen Lage bei der
Winterfutterbereitung wird mit Selbsthilfeaktionen wie
Futterbörsen begegnet. Viele Betriebe müssen nicht nur
erhebliche Ertragseinbußen bei Mais und Gras verkraften, sondern
für die Winterfütterung auch teures Futter zukaufen. Vereinzelt
wird berichtet, dass Betriebe ihre Tierbestände abbauen. Ebenso
verschärft sich die Situation für die Biogasanlagen. Viele
landwirtschaftliche Betriebe stehen vor der Wahl, den angebauten
Mais an Milchkühe und Rinder zu verfüttern oder an eine
Biogasanlage abzugeben. |