Berlin, Germany
November 24, 2005
Gemeinsame Präsidentenerklärung
Für die deutschen Zuckerrübenanbauer und Zuckerfabriken bedeutet
die heute beschlossene Reform der Zuckermarktordnung zum 1. Juli
kommenden Jahres eine gewaltige Herausforderung. Der Präsident
des Deutschen
Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner, der Vorsitzende der
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rübenbauerverbände (ADR), Jan
Kirsch, und der Vorsitzende der Wirtschaftlichen Vereinigung
Zucker (WVZ), Dr. Hans-Jörg Gebhard, erklärten in einer
gemeinsamen Stellungnahme unmittelbar nach dem Beschluss der
Agrarminister, dass mit dieser drastischen Reform ein
Schlussstrich unter eine nunmehr nahezu fünf Jahre andauernde
Diskussion gezogen wird.
Auch wenn diese Reform der bewährten Zuckermarktordnung für
viele herbe Einschnitte mit sich bringe und in wesentlichen
Punkten mit einigen Mängeln behaftet ist, müsse man anerkennen,
dass Bundesminister Seehofer gegenüber dem ursprünglichen
Vorschlag substanzielle Änderungen durchgesetzt hat. Das gilt
insbesondere für die moderateren Einschnitte bei den Rüben- und
Zuckerpreisen, aber auch für den Restrukturierungsfonds sowie
für eine deutlich verbesserte Schutzklausel, mit der einem
übermäßigen Anwachsen der Präferenzeinfuhren begegnet werden
kann.
Die deutschen Zuckerrübenanbauer und Zuckerfabriken hätten
ebenso wie die Zuckerwirtschaft in anderen Mitgliedstaaten im
Laufe der Reformdiskussion schweren Herzens akzeptiert, dass
insbesondere durch das verlorene WTO-Zuckerpanel und durch die
Alles außer Waffen-Initiative aus dem Jahr 2000, mit der die
damals politisch Verantwortlichen die Europäische Union in einem
nicht wieder umkehrbaren Prozess für zollfreie Importe geöffnet
haben, eine Reform der Zuckermarktordnung unausweichlich
geworden sei. Die jetzt beschlossene Veränderung dieses Systems
sei letzten Endes nur deshalb akzeptabel, weil der neu
eingeführte Restrukturierungsfonds eine Chance dafür biete, den
Zuckerrübenanbau in Deutschland weit möglichst fortzusetzen. Im
Interesse des Erhalts dieses für viele Ackerbaubetriebe
wichtigsten Betriebszweiges und nur in Verbindung mit einem
dauerhaften, verlässlichen Teilausgleich für die Rübenanbauer
habe der Berufsstand schlussendlich den Kompromiss akzeptieren
müssen.
Kritik gilt allerdings der Möglichkeit zur Teilkopplung der
Ausgleichszahlungen bzw. Sonderzahlungen für eine Beibehaltung
des Rübenanbaus in einigen weniger leistungsfähigen Regionen.
Damit konterkariere der Rat den eigentlichen Reformansatz, der
ursprünglich auf eine stärkere Ausrichtung des Rübenanbaus an
den leistungsfähigsten Standorten abzielte. Durch diese
Zugeständnisse halte man die Zuckererzeugung zu Lasten der
wettbewerbsfähigeren Regionen auch an den weniger geeigneten
Grenzstandorten. Damit habe man ein von der Kommission seit
langem selbst postuliertes Reformziel ganz erheblich
eingeschränkt.
Für die Zuckerrübenanbauer und Zuckerfabriken komme es nun
darauf an, sich ohne Zeitverzug auf die neue Situation
einzustellen und die erforderlichen unternehmerischen
Weichenstellungen vorzunehmen. Deutschland zähle zu den
wettbewerbsstarken Standorten des europäischen
Zuckerrübenanbaus. Man werde deshalb alles daran setzen, auch
unter den schwierigeren Bedingungen einer der großen und
leistungsfähigsten Rübenzuckerproduzenten zu bleiben. Von der
Politik erwarte man, dass sie sich künftig auf internationaler
Ebene wieder stärker für die Interessen der heimischen Erzeuger
einsetzt und die hohen ökologischen und sozialen Standards in
Europa auch im Rahmen der kommenden WTO-Verhandlungen absichert.
Die europäischen Rüben- und Zuckererzeuger hätten durch diese
Reform ein großes Opfer für die Öffnung des europäischen Marktes
auch für zahlreiche Entwicklungsländer zu leisten. Auch in
Deutschland werde die Reform einen forcierten Strukturwandel im
Zuckerrübenanbau und in der Zuckerindustrie zur Folge haben. Vor
diesem Hintergrund dürfe die EU bei der bevorstehenden
WTO-Ministerkonferenz nichts akzeptieren, was auch nur im
Geringsten zu zusätzlichen Einschnitten führen könnte.
Bauernverband und Zuckerwirtschaft riefen Bundesminister
Seehofer deshalb dazu auf, die Aktivitäten der Kommission in
Hongkong nicht nur äußerst gründlich und kritisch zu beobachten,
sondern der Kommission bereits im Vorfeld ein eindeutiges,
klares Signal dafür zu geben, dass endlich Schluss sein muss mit
einseitigen Zugeständnissen und Angeboten. |