November 10, 2004
Forum ExistenzfrageZucker:
Zukunft für heimischen Zucker erhalten!
Rübenbauern und Zuckerwirtschaft zeigen Folgen der Reform der
Zuckermarktordnung
Über 800 Rübenbauern aus allen Teilen Deutschland und 300
Erwerbstätige der Zuckerfabriken haben am 10. November 2004 mit
dem Forum ExistenzfrageZucker in Berlin auf die
existenzgefährdenden Auswirkungen der geplanten Reform der
EU-Zuckermarktordnung aufmerksam gemacht. Die regionalen
Wirtschaftsstrukturen in Deutschland sowie Arbeitsplätze und
Existenzen in der Land- und Zuckerwirtschaft werden durch
radikale Preissenkungen und Quotenkürzungen bedroht.
Zum Forum hat die
Aktionsgemeinschaft ExistenzfrageZucker (AEZ) eingeladen, die
der Deutsche Bauernverband
(DBV), die Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker (WVZ), die
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rübenbauerverbände (ADR) und die
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) gegründet haben,
um die wirtschaftlichen Folgen der von der EU-Kommission
vorgeschlagenen Reform aufzuzeigen. In den vergangenen Wochen
hat die Aktion ExistenzfrageZucker bereits vor den Toren von
Zuckerfabriken in einer Allianz von Rübenbauern und Arbeitneh
mern gegen die geplante Reform der Zuckermarktordnung
protestiert.
„Mit der vorgeschlagenen starken Preissenkung von 37 Prozent im
Zeitraum und einer Quotenkürzung um 16 Prozent bedroht die
EU-Kommission nicht nur die Existenz der landwirtschaftlichen
Betriebe und Zuckerfabriken in der EU, sondern auch die
zahlreicher Bauern in den ärmsten Entwicklungsländern, den so
genannten AKP-Staaten“, betonte der Vorsitzende der
Wirtschaftsvereinigung Zucker, Dr. Hans-Jörg Gebhard. Europaweit
sei der Zuckerrübenanbau Existenzgrundlage für rund 375.000
Landwirte, 230 Zuckerfabriken und rund 300.000 Beschäftigte im
Zuckersektor.
Im Rahmen des Aktionsbündnisses
wollen Rübenbauern und die Erwerbstätigen der Zuckerfabriken
gemeinsam für eine Reform der Zuckermarktordnung eintreten, die
sich an den tatsächlichen Notwendigkeiten orientiere und nicht
die hochmoderne Zuckerproduktion aus Zuckerrüben zerschlage. Man
werde den Verantwortlichen in der Politik verdeutlichen, dass
eine Reform, die zahlreiche Existenzen extrem gefährdet, nicht
akzeptabel sei.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd
Sonnleitner, bot die konstruktive Mitarbeit bei einer Reform der
EU-Zuckermarktordnung an, sofern die Reformmaßnahmen realistisch
seien und man den landwirtschaftlichen Betrieben eine
Anpassungsperspektive belasse. Die von der EU-Kommission
vorgeschlagenen Einschnitte in die Preis- und Mengengarantien
der Zuckermarktordnung würde zu einem schlagartigen Rückgang der
Zuckerrüben- und Zuckererzeugung in Europa führen. Dadurch kämen
Zuckerproduzenten, wie zum Beispiel Brasilien, zum Zuge, die
ihren Anbau vielfach auf Kosten von Mensch, Natur und Umwelt
betrieben.
Die Aktion ExistenzfrageZucker
kämpfe für einen innovativen und leistungsfähigen
Zuckerrübenanbau in Europa. Dafür benötige man eine Reform,
„keine Radikalvorschläge, sondern Vorschläge mit Augenmaß“,
betonte Sonnleitner. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten
verschließe nicht die Augen vor den internationalen
Rahmenbedingungen, insbesondere den auf internationaler Ebene
eingegangenen Verpflichtungen, erklärte der Vorsitzende der
Gewerkschaft Nahrung – Genuss – Gaststätten (NGG), Franz-Josef
Möllenberg.
Die Neuordnung der
Zuckermarktordnung sei verfrüht und ein unnötiger Eingriff auf
internationaler Ebene. Der niedrige Weltmarktpreis sei das
Resultat eines Überangebotes, verschuldet durch die enorm
gesteigerte Produktion außerhalb Europas. Insbesondere das
Beispiel Brasilien zeige, dass durch Kinderarbeit und Umgehung
jeglicher sozialer Standards Hunderttausende in der
Zuckerproduktion Beschäftigte Sklavenarbeit leisten müssten. Die
Missachtung sozialer Standards dürfe kein Kavaliersdelikt sein.
Die Kommission opfere mit ihren geplanten Reformen die
bestehende Zuckermarktordnung auf dem Altar der Globalisierung.
Möllenberg befürchtet, dass von
den derzeit 6.500 Beschäftigten in der Zucke rwirtschaft in
Deutschland 2.500 bis 3.000 ihren Arbeitsplatz verlieren, wenn
die Zuckermarktreform so realisiert wird, wie von der
EU-Kommission vorgeschlagen wurde. Die NGG werde den
europäischen und nationalen Gesetzgeber bei seinen
Reformbemühungen zur Stärkung der Zuckermarktordnung
unterstützen. Die Reform müsse aber sozialverträglich sein.
„Bundesregierung und die Europäische Kommission sind
aufgefordert, soziale und ökologische Mindeststandards in den
internationalen Verhandlungen stärker als bisher zu
berücksichtigen“, forderte Möllenberg. |