Berlin, Germany
November 2, 2004
Auch der Vermittlungsausschuss
konnte sich in seiner Sitzung am 27. Oktober 2004 nicht auf ein
Ergebnis zum Gentechnik-Gesetz verständigen. Damit kann der
Bundesrat einen Einspruch nur noch mit einfacher Mehrheit
einlegen, der vom Bundestag mit rot–grüner-Mehrheit
zurückgewiesen werden kann.
Der Deutsche Bauernverband
(DBV) kritisiert, dass Bundeslandwirtschaftsministerin Renate
Künast hierdurch Lösungen auf breiter politischer und
gesellschaftlicher Basis letztendlich verhindert hat. Ernsthafte
Bedenken und Alternativvorschläge aus Politik, Wissenschaft und
Wirtschaft wurden ignoriert. Für den DBV ist die Sicherung der
Koexistenz, also das Nebeneinander des Anbaus mit und ohne
gentechnisch veränderter Pflanzen, das zentrale Anliegen. Wer in
der deutschen Landwirtschaft auf die Verwendung von gentechnisch
veränderten Pflanzen verzichten wolle, müsse ebenso eine
dauerhafte Perspektive erhalten wie diejenigen, die gentechnisch
veränderte Pflanzen anbauen wollten. Deswegen dürfe die
Koexistenz nicht als Einbahnstraße für eine bestimmte Form des
Anbaus betrachtet werden, betont der DBV.
Der DBV begrüßt die Erklärung des
Bundeslandwirtschaftsministeriums, Freisetzungs¬versuche und den
Erprobungsanbau nunmehr staatlich unterstützen zu wollen. Dies
hat der Berufsstand lange gefordert. Doch werden in der
Erklärung keine belastbaren Wege angezeigt, um kurzfristig für
einen kommerziellen GVO-Anbau die Haftungsrisiken nach dem
Gentechnikgesetz zu entschärfen.
So begründet die verschuldensunabhängige gesamtschuldnerische
Gefährdungshaftung für GVO-anbauende Landwirte Risiken für
Bauernfamilien, die nicht kalkulierbar und nach gegenwärtigem
Stand nicht versicherbar sind. In seiner Verantwortung gegenüber
jedem Landwirt müsste der Berufsstand ohne weitere gesetzliche
oder vertragliche Haftungsbeschränkungen jedem Landwirt generell
vom Anbau mit gentechnisch veränderten Pflanzen abraten. Selbst
Landwirte, die gar nicht für GVO-Einträge bei Nachbarn
verantwortlich sind, würden über die gesamtschuldnerische
Haftung Risiken ausgesetzt sein.
Der DBV hat daher stets als Alternative eine klassische
verschuldensabhängige Haftungsregelung, ergänzt um eine
Fondslösung, eingefordert. Durch diese Haftungsregelung würden
die GVO-anbauenden Landwirte bei fahrlässigen oder vorsätzlichen
Verstößen gegen die gute fachliche Praxis für Schäden bei
benachbarten Landwirten haften. Über die Fondslösung würden aber
auch die Landwirte gegen mögliche GVO-Einträge abgesichert, die
auch ungeachtet der Einhaltung der guten fachlichen Praxis nicht
hundertprozentig auszuschließen sind.
Der DBV hat immer wieder betont, dass vorrangig die an GVO-Anbau
unmittelbar wirtschaftlich interessierten Kreise – auch die
Pflanzenzüchter – zur Finanzierung einer derartigen Fondslösung
herangezogen werden müssten.
Der DBV appelliert deshalb noch einmal an den Bundesrat und die
Fraktionen des Bundestages, den Diskurs zum Gentechnik-Gesetz
nicht zu beenden, sondern vielmehr unter Beachtung auch der
Kritikpunkte der EU-Kommission gemeinsam nach praktikablen
Lösungswegen für eine Koexistenzregelung aller Anbauformen zu
suchen. |