Berlin, Germany
June 14, 2004
Koexistenz und Haftungsfrage
müssen geklärt werden
Die Sicherung der Koexistenz, also das Nebeneinander des Anbaus
mit und ohne gentechnisch veränderte Pflanzen, ist das zentrale
Anliegen des Deutschen
Bauernverbandes (DBV). Dies unterstrich DBV-Generalsekretär
Dr. Helmut Born, auf der heutigen öffentlichen Anhörung des
Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
des Deutschen Bundestages. Born plädierte engagiert dafür, den
Gesetzentwurf wegen Bedenken im Bundesrat nicht aufzusplitten in
einen nur vom Bundestag zu beschließenden Teil und einen Teil,
dem die Bundesländer im Bundesrat zustimmen müssen. Ein solches
Vorgehen würde nämlich bedeuten, dass Bund und Länder die bisher
ungelösten praktischen Fragen der Koexistenz auf die lange Bank
schieben. „Wir meinen es mit der Koexistenzfrage sehr ernst“,
betonte Born. Denn wer in der deutschen Landwirtschaft auf die
Verwendung von gentechnisch veränderten Pflanzen verzichten
wolle, müsse ebenso eine dauerhafte Perspektive erhalten wie
diejenigen, die gentechni sch veränderte Pflanzen anbauen
wollten. Letztlich sei es die Entscheidung der Verbraucher und
der Landwirte, ob die Grüne Gentechnik im Anbau in der
Landwirtschaft Akzeptanz finde oder nicht.
Deutliche Kritik übte Born an der nationalen Umsetzung der
EU-Freisetzungsrichtlinie. Man könnte in Deutschland sehr viel
weiter sein. „Wenn die Bundesregierung frühzeitig unsere
Forderungen nach einem kontrollierten, transparenten und
wissenschaftlich begleiteten Erprobungsanbau von zugelassenen
gentechnisch veränderten Pflanzen aufgegriffen hätte, wäre viel
Brisanz aus der derzeitigen öffentlichen Diskussion genommen
worden.“ Ohne größere Praxiserfahrung mit der Koexistenz beider
Anbauformen ließen sich die entscheidenden Fragen zur guten
fachlichen Praxis, zum Anbauregister und zu Haftungsfragen bei
gentechnisch verändertem Anbau nicht klären.
So habe das Bundeslandwirtschaftsministerium bei der Zulassung
des versuchsweisen Anbaus von Bt-Mais nicht die Chance
ergriffen, in Zusammenarbeit mit der Biologischen Bundesanstalt,
dem Bundesamt für Naturschutz und den Bundesländern
Erfahrungswerte zu sammeln. Die drohende Haftungsregelung nach
der Novelle des Gentechnikgesetzes erschwere ein transparentes
Verfahren zusätzlich. „So bleibt jetzt nur eine Novelle des
Gesetzes unter strikten Vorsorgegesichtspunkten übrig, aber auch
die Möglichkeit einer späteren Weiterentwicklung nach erst
allmählich zu erwartenden sorten- und kulturspezifischen
Erkenntnissen“, stellte Born fest. Diese Weiterentwicklung werde
aber nur möglich sein, wenn die verschuldensunabhängige
gesamtschuldnerische Gefährdungshaftung aus dem Gesetz
gestrichen werde. Bei der verschuldensunabhängigen Haftung wären
die Risiken für Landwirte, die gentechnisch veränderte Pflanzen
anbauen, unkalkulierbar und nach gegenwärtigem Stand auch nicht
versicherbar. Blieb e es dabei, müsse der Bauernverband jedem
Landwirt generell von jeglichem Anbau mit gentechnisch
veränderten Pflanzen abraten, so dass sich auch die
Koexistenzfrage damit erübrigen würde.
Als Lösung sieht Born eine klassische verschuldensabhängige
Haftungsregelung ergänzt um eine Fondslösung. Der Landwirt, der
gentechnisch veränderte Pflanzen anbaue, müsse für Schäden
Dritter haften, die er durch einen vorsätzlichen und
fahrlässigen Verstoß gegen die gute fachliche Praxis beim
gentechnisch veränderten Anbau verursacht habe. Komme es jedoch
trotz Einhaltung der guten fachlichen Praxis zu Schäden in
Nachbarbetrieben, müssten diese durch einen Haftungsfonds
ausgeglichen werden. Dieser Haftungsfonds, schlug Born vor,
müssten vor allem durch die Pflanzenzüchter, also die
unmittelbar wirtschaftlich interessierten Kreise, finanziert
werden.
Auch der Staat stehe in der Pflicht, für einen solchen Fonds
eine gesetzliche und damit belastbare Grundlage zu schaffen,
weil er selbst mit der amtlichen Zulassung von gentechnisch
veränderten Pflanzen Verantwortung für die konfliktträchtige
Situation in der Landwirtschaft trage. Ob der Staat dazu selbst
Mittel einfließen lasse, sei eine eher zweitrangige Frage,
betonte Born. Dass dieser Vorschlag kein unrealistischer
Lösungsansatz sei, zeige das mittlerweile in Kraft getretene
Gentechnik-gesetz in Dänemark und die in die gleiche Richtung
gehende parlamentarische Diskussion in den Niederlanden und
Großbritannien.
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