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Weizensorten für Trockenheit und Hitze
June 7, 2004

Source: Saaten Union newsletter

Eine „Jahrhundertflut“, eine Auswinterung und eine „Jahrhun-dertdürre“ innerhalb von nur 12 Monaten. Wetterforscher prognostizieren eine Häufung dieser Wetterextreme: die Durchschnittstemperaturen werden weiter ansteigen, Trockenstress wird zum wichtigsten ertragsbegrenzenden Faktor. Sven Böse beschreibt Anpassungsmöglichkeiten bei der Sortenwahl und Produktionstechnik. 

Produktionsziel: Vier Körner mehr je Ähre
Jedes Trockenjahr ist anders, je nach Zeitpunkt der Wasserknappheit sind die pflanzenbaulichen Probleme sehr unterschiedlich:

Lückige Pflanzenbestände nach ausgeprägter Herbsttrockenheit können sich im Frühjahr zwar stärker bestocken, bei andauernder Trockenheit sind jedoch Ertragsdepressionen nicht zu vermeiden. Denn Frühjahrstriebe haben ein geringeres Ertragspotenzial, zudem senkt ein hoher Anteil von Trieben zweiter Ordnung mit schwacher Eigenbewurzelung die Ertragssicherheit.          

Trockenphasen nach dem Feldaufgang bis zum Schossbeginn sind hingegen weniger kritisch, ja sogar willkommen, weil sie das Wachstum des Wurzelsystems stimulieren, andererseits der Wasserverbrauch noch sehr gering ist.           

Auch das oberirdische Wachstum wird durch frühe Trockenphasen besser auf spätere Trockenheit vorbereitet. Die für die Zellteilung und auch das Schließen der Stomata (!) verantwortlichen Wachstumshormone (Cytokinine), werden während des vegetativen Wachstums vorwiegend in den Wurzelspitzen gebildet. Wird die Wurzelentwicklung durch Trockenstress behindert, wird weniger Cytokinin in den Spross transportiert, das oberirdische Wachstum also weniger stimuliert. Mit dieser Rückkopplung steuert die Pflanze ein harmonisches Verhältnis von ober- und unterirdischem Wachstum.          

Ausgesprochen gefährlich ist dagegen anhaltende Staunässe während der Jugendentwicklung. So haben die extremen Niederschläge im Februar 2002 die Wurzelentwicklung so stark geschädigt, dass schon moderater Trockenstress in den Monaten Mai und Juni ernste Trockenschäden verursachte.          

Ab Beginn des Schossens und vor allem zur Blüte ist Trockenheit dann wieder kritisch. In dieser intensiven Wachstumsphase wird durch parallel verlaufende Anlage- und Reduktionsprozesse die endgültige Kornzahl je Quadratmeter fixiert. Und diese darf gerade auf Trockenstandorten nicht zu gering ausfallen, denn im Vergleich zu feuchtkühlen Küstenlagen verläuft die Kornfüllung rascher und droht durch Notreife unterbrochen zu werden. 5 g weniger TKM müssen aufgewogen werden durch drei Körner mehr je Ähre, bei angepasster Bestandesdichte besser vier (-> TOMMI, TULSA, Globus).

Die Tensiometerversuche in Groß Lüsewitz geben Antwort auf die bessere Wasseraus-nutzung der Hybriden. Birgit Zachow, die Leiterin der Station, erklärt deren Funktion. "Tensiometer sind wassergefüllte Tonzellen mit angeschlossenen Manometern zur Be-stimmung der Wasser-Saugspannung. Mit dem Tensiometer misst man den Unterdruck, mit dem das Bodenwasser in den Poren festgehalten wird. Diese Saug-spannung wird mit zunehmender Austrocknung des Bodens immer größer. Folglich kann die Höhe der gemessenen Saugspannung (mbar) auch als ein Maß für die Wasseraufnahme durch die Pflanzen angesehen werden.

Wie viel Wasser braucht Getreide?
Auf der Lysimeterstation Groß Lüsewitz der Universität Rostock wurde von Frau Birgit Zachow über vier Jahre exemplarisch der Wasserhaushalt verschiedener Züchtungen der SAATEN-UNION untersucht. Die Wägelysimeter erlauben über die Messung der Verdunstung, des Sickerwassers und der Feuchteänderung des Bodens Aussagen über den Wasserverbrauch. Der „Transpira-tionskoeffizient“ beschreibt den Wasserverbrauch je kg TM oberirdischen Aufwuchses. Die Literaturangaben für Weizen hierzu schwanken zwischen etwa 300 und 600 l/kg TM.
Die Ergebnisse in Groß Lüsewitz zeigen, dass diese Einzelangaben nicht verallgemeinert werden dürfen, denn der Transpirations-koeffizient1) ist in erster Linie eine Frage der Jahreswitterung. So wurden im eher feuchteren Jahr 2002 lediglich 210 – 220 Liter Wasser für ein Kilogramm Weizenaufwuchs verdunstet, im Trockenjahr 2000 dagegen 550 – 610 Liter, siehe Abb.1! Je trockener das Jahr, umso mehr Wasser wird also verbraucht! Denn die Evapotranspiration eines Pflanzenbestandes ist in erster Linie ein passiver Vorgang und hängt maßgeblich vom Wasserdampf-Sättigungsdefizit der Luft ab. Die Pflanze kann wegen des notwendigen Gasaustausches ihre Spaltöffnungen nicht einfach schließen, auch schützt die Verdunstungskühle vor dem Hitzetod, der ab 40 °C Pflanzentemperatur droht.

 

Abb.1: Evapotranspirationskoeffizienten Weizen-Gesamtpflanze

 

Abb.2: Wasserausnutzung und Ertrag von W-Weizensorten im Lysimeterversuch Groß Lüsewitz 2000

Welche Sorten sind trockenresistent?
Der sparsame Umgang mit Wasser beginnt schon bei der Sortenwahl. Aus den Ergebnissen der Landessortenversuche und aus Praxiserfahrungen lassen sich vorteilhafte Pflanzenmerkmale ableiten:

  • Eine ganze Reihe trockenheitsbewährter Sorten entkommt über Frühreife dem zunehmenden Trockenstressrisiko im Sommer (z.B. ISENGRAIN, AMPLY, PERCEVAL).           
  • Erst recht gilt dies für Spätsaaten, die auf Grund ihrer späteren Entwicklung und schwächeren Bewurzelung ohnehin trockenheitsgefährdeter sind, hier sind vor allem Wechselweizen mit ihrer besonderen Anpassung an eine sehr kurze Vegetationszeit ertragssicherer (THASOS, XENOS).           
  • Doch Frühreife „kostet“ Ertragspotenzial. Vor allem im Hochertragsbereich geht die Weizenzüchtung deshalb auch andere Wege: bei mittlerer oder gar mittelspäter Reife schieben die Ähren vergleichsweise früher, auf diese Weise wird der Beginn der Kornfüllung vorgezogen, die so genannte „postflorale Periode“ verlängert (Spanakakis 1993). Beispiele für diesen Sortentyp: PEGASSOS, Ephoros, TOMMI, VERGAS, HYBRED, ALITIS.          
  • Ein neuer Weg für weitere Ertragssteigerungen unter Trockenstress sind Sorten mit weniger ausgeprägter Winterruhe (Schachschneider 2003). Diese nutzen wüchsige Witterungsphasen im Winter und verlängern so ihre effektive Vegetationszeit. Im E-Segment stehen solche Sorten mit verbesserter Ausnutzung der Winterfeuchte und damit deutlich erhöhter Ertragsleistung zur Verfügung (QUEBON, QUALIBO). Die Praxis muß sich an diese neuen Sortentypen allerdings noch gewöhnen. Denn Erfrierungen während Kahlfrostphasen sind bei diesen Sortentypen wahrscheinlicher als bei „Tiefschläfern“, auch wenn die Winterfestigkeit dank sehr ausgeprägter Regenerationsfähigkeit insgesamt ausreichend ist.          
  • Eine ganze Reihe weiterer Sorteneigenschaften begünstigt die Trockentoleranz des Getreides. Dazu gehören eine Ertragsstuktur mit ausreichend hoher Korndichte für eine rechtzeitige Ertragsfixierung, eine ausgepägte Wachsschicht, die bis zu 30 % der eintreffenden Sonneneinstrahlung reflektieren kann, die Unempfindlichkeit gegen Strahlungs- oder Ozonschäden und auch ein ausgewogener Ernteindex - weder extrem lange noch extrem kurze Wuchsformen konnten bisher ertraglich auf Trockenstandorten überzeugen.

In Trockenregionen schon bis zu 11 % Hybridweizen
Zum Wasserhaushalt verschiedener Sorten liegen der SAATEN-UNION umfassende Daten aus insgesamt 4 Versuchsjahren vor, die an dieser Stelle nur ausschnittweise wiedergegeben werden können. In Abb. 2 wird deutlich, dass der Transpirationskoeffizient der Hybriden höher ist als der der Liniensorten, auffallend groß waren die Unterschiede vor allem im Trockenjahr 2000. Entscheidender noch ist die Wasserausnutzung bezogen auf den Kornertrag: Dieser lag bei der Hybride bei 1,83 g Korn-TM je Liter Wasser, bei der Liniensorte bei 1,65 g! Gleichzeitig lag der absolute Wasserverbrauch bei den produktiveren Hybridsorten jedoch deutlich höher, ihnen steht also offenbar mehr Wasser zur Verfügung.

In Abb. 3 und 4 sind die Unterschiede zwischen den jeweils geprüften Linien- und Hybridsorten (Bandit, TOMMI, Hybnos 1 und Hybnos 2) über vier Jahre auszugsweise für 120 cm Tiefe im zweiwöchigen Abstand aufgetragen. Die Ergebnisse sind eindeutig. Die Hybriden zeigten in den Jahren mit normaler Wasserversorgung eine um ca. 5 – 10 % erhöhte Wurzelsaugkraft, in Trockenjahren erhöht sich dieser Vorteil auf  20 – 30 % und liegt sogar noch über der Saugkraft der Roggenwurzeln. Dies gilt vor allem zum Ende der Vegetation hin, wenn die Bodenvorräte in den oberen Bodenschichten erschöpft sind. Jeder Anbauer kann die höhere physiologische Aktivität der Hybriden auch oberirdisch erkennen, die Pflanzen „schalten später ab“, bleiben gerade unter Stressbedingungen länger assimilationsfähig und konkurrieren deshalb auf den dilluvialen Standorten mit Triticale und Hybridroggen. So wundert es nicht, dass die Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern am häufigsten zu Hybridweizen greifen, dessen Anteil liegt dort schon bei 11%: Eine lange Bestockungsphase – wichtig für die Dünnsaat des wertvollen Hybridsaatguts – und hohe Ertragserwartung ist dort gepaart mit engen Weizenfruchtfolgen, wechselnden Böden und einem hohen Technologielevel (Saattechnik). Hier können die Hybriden ihre Vorteile voll ausspielen.

 

Abb. 3 + 4: Wurzelausspannung von Linien- und Hybrid-Winterweizen in Groß Lüsewitz

Reifeverzögernde Maßnahmen bis EC 39 abschließen
Unterschiedlichste Sorteneigenschaften begründen also die genetische Trockentoleranz, die wichtigste Sortenstrategie auf Trockenstandorten ist deshalb genetische Diversifikation. Die frühe Wintergerste hat zwar ein weniger leistungsfähiges Wurzelwerk, nutzt jedoch die Winterfeuchte besser als jedes andere Getreide. Auf grundwasserfernen leichten Standorten ist der wassersparende Roggen auch zukünftig unverzichtbar, in Veredelungsregionen gilt das Gleiche für Triticale.
Gesunde, standfeste Sorten sind auf Trockenstandorten nicht weniger wichtig. Das Schadrisiko ist hier zwar geringer, andererseits verbieten sich hier mehrmalige, teure Korrekturmaßnahmen wirtschaftlich und pflanzenbaulich. Denn mit den letzten Anbaumaßnahmen sind auf Trockenstandorten zwei gegenläufige Ziele zu verfolgen. Zum einen ist eine ungestörte Assimilatumlagerung ins Korn sicherzustellen, deshalb sollten mit Erscheinen des letzten Blattes (EC 39) reifeverzögernde Maßnahmen (N, Mn, Fungizide) abgeschlossen werden. Gleichzeitig soll die Assimilationsfläche intakt bleiben, denn 80 % der Kornmasse müssen in den folgenden beiden Monaten erst noch gebildet werden. Beides zusammen funktioniert im Hochertragsbereich nur mit gesunder Genetik, unterstützt von nachhaltig wirksamen Fungiziden.

Sven Böse 

1) Eigentlich ist hier der „Evapotranspirationskoeffizient“ gemeint, denn über die Gewichtsänderung des Bodenblocks werden die Verdunstung des Pflanzenbestandes und des Bodenkörpers erfasst.

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