Berlin, Germany
December 7, 2004
Mariann Fischer Boel calls for support for organic farming
The European Union must do all
it can to support the growth of the organic agricultural sector,
according to Mariann Fischer Boel, European Commissioner for
Agriculture and Rural Development. Speaking at a Congress in
Berlin, Commissioner Fischer Boel explained how the recent
reforms of the Common Agricultural Policy will make it easier
for producers to shift to organic production. She pointed to the
important role of research in supporting the growth of the
sector, and stressed the need for common international standards
and increased efforts to help developing countries export food
produced according to organic standards. Referring to the
Organic Action Plan, which received broad backing from the
Council in October, the Commissioner said : "This is a very
important step, but only an intermediate step in a continuous
process."
Mariann Fischer Boel
Mitglied der Europäischen Kommission zuständig für
Landwirtschaft und ländliche Entwicklung
Ökologischer Landbau in Europa
Kongress zum ökologischen
Landbau
Berlin, 7-8 Dezember 2004
Sehr geehrte Damen und Herren,
Erinnern Sie sich noch? War
nicht gerade der Lebensmittelsektor jener Bereich, in dem
Schlagworte wie „öko“ und „bio“ als erste Furore machten? Und
der Öko-Trend boomt noch immer im landwirtschaftlichen Bereich.
Daher kommt es auch nicht von
ungefähr, dass die ökologische Landwirtschaft und der
ökologische Lebensmittelsektor eine ganz wesentliche Rolle in
der ländlichen Entwicklungspolitik einnehmen. Ein Bereich der
gemeinsamen Agrarpolitik, in dem höchste Qualitätsansprüche an
Lebensmittel, eine artgerechte Tierhaltung, der Schutz
biologischer Vielfalt und der Aspekt der Nachhaltigkeit oberste
Priorität haben.
Und wie es auch der Europäische
Rat im Juni 2001 in Göteborg zum Ausdruck brachte, stimmt diese
Rolle des Öko-Sektors auch ganz mit den grundsätzlichen Zielen
der Gemeinsamen Agrarpolitik überein. Auf Wunsch des Rates,
hatte die Kommission in jenem Juni einen Europäischen
Aktionsplan für ökologische Landwirtschaft und ökologisch
erzeugte Lebensmittel vorgelegt.
Dieser Aktionsplan enthält die
Zukunftsvisionen der Kommission zum ökologischen Landbau und die
Rolle, die die Politik dabei spielen könnte.
Insgesamt umfasst dieser
Aktionsplan 21 Vorschläge, wobei auch Stellungnahmen von
Beteiligten, einschließlich der Landwirte, Händler, Lieferanten
und Verbraucher eingeflossen sind.
Der ökologische Landbau erfüllt
eine wichtige Doppelfunktion für unsere Gesellschaft:
- Zunächst geht es um die
Produktion von Lebensmitteln. Die Erzeugnisse des
ökologischen Landbaus sind von hoher Qualität und werden vom
Verbraucher dafür geschätzt. Daher sind sie hoffentlich auch
bereit, mehr für Bioprodukte zu bezahlen.
- Daneben geht es aber auch
um die Erbringung gesellschaftlicher Leistungen. Der
ökologische Landbau erfüllt wichtige Funktionen vor allem in
den Bereichen Umwelt und Tierschutz. Ich plädiere deshalb
dafür, dass die Entwicklung der ökologischen Landwirtschaft
von der Gesellschaft als allgemeines Anliegen gefördert
wird.
Da diese beiden Aufgaben des
Biolandbaus eng miteinander verbunden sind, kann man sie nicht
isoliert betrachten. Da jedoch eine stabile Entwicklung des
Sektors nur dann gewährleistet ist, wenn Angebot und Nachfrage
im Gleichgewicht sind, möchte ich zuerst auf die Marktsituation
der Bioprodukte eingehen.
DER MARKT
Wenn es keinen Markt für
Ökoprodukte gibt, werden die Landwirte den ökologischen Landbau
auch nicht als viel versprechende Chance sehen. Ein gesundes und
anhaltendes Wachstum des Ökosektors ist nur möglich, wenn mehr
Ökoprodukte nachfragt werden.
Als erstes müssen wir uns daher
direkt an die Konsumenten richten. Es ist außerordentlich
wichtig, objektive und verlässliche Informationen über den
ökologischen Landbau zur Verfügung zu stellen. Hier sind vor
allem die Interessengruppen entscheidend. Eine wichtige Rolle
spielen aber auch die Mitgliedstaaten und die EU selbst. Deshalb
geht es bei der ersten Maßnahme im Aktionsplan darum, wie wir
alle Verbrauchergruppen richtig über die Vorzüge ökologisch
erzeugter Lebensmittel informieren können.
Das EU-Logo sollte zentraler
Bestandteil einer EU-weiten Informationskampagne sein. Es ist
ein gutes Instrument, um Ökoprodukte stärker hervorzuheben, was
auch deren Wahrnehmung bei den Verbrauchern erhöht. Gleichzeitig
wird eine breitere Verwendung des EU-Logos einige der
innergemeinschaftlichen Handelshemmnisse aus dem Weg räumen, die
auf die vielen unterschiedlichen Normen zurückzuführen sind. Wir
glauben auch, dass eine Online-Datenbank hier Abhilfe schaffen
könnte. Wenn all die nationalen Normen dort mit den
Gemeinschaftsnormen verglichen werden könnten, wäre der Zugang
zu diesen Informationen wesentlich erleichtert.
Um Ihnen einmal deutlich zu
machen, wie das EU-Logo in den Mitgliedstaaten eingesetzt wird,
habe ich Ihnen einige Beispiele aus Dänemark mitgebracht.
DIE POLITIK
Bei der Agrar-Reform im letzten
Jahr ging es uns vordringlich um Folgendes: Wir wollten die
wirtschaftliche und soziale Lebensfähigkeit des Agrarsektors
langfristig sichern und qualitativ hochwertige Erzeugnisse mit
umweltfreundlichen Methoden erzeugen. Die ökologische
Landwirtschaft mit ihrer positiven Ausstrahlung auf Umwelt und
Qualitätslebensmittel, erfüllt dieses Ziel und trägt damit
entscheidend zur neuen gemeinsamen Agrarpolitik bei. Es ist
wichtig, dass der Sektor durch eine kohärente Politik
unterstützt wird.
Erlauben Sie mir drei
wesentliche Schlüsselbotschaften des Aktionsplans
herauszugreifen:
- Erstens sollte die Politik
zur Entwicklung des ländlichen Raums genutzt werden. Hier
empfehle ich den Mitgliedstaaten, die Möglichkeiten der
Entwicklungsprogramme optimal für die Unterstützung des
ökologischen Landbaus einzusetzen. Daneben profitiert der
ökologische Landbau auch von einer ganzen Reihe jener
Maßnahmen, die mit der Reform 2003 für die erste Säule
eingeführt wurden. So gewinnen auch die Biobauern mit der
Einführung der einheitlichen Betriebsprämie, die nicht mehr
an die Produktion gebunden ist, einen wesentlich größeren
Handlungsspielraum. Beispielsweise können sie jetzt jene
Kulturpflanzen anbauen, die am Besten in die biologische
Fruchtfolge passen und haben auch die Möglichkeit ihre
Viehbestände extensiver zu halten. Es kommt somit zu einer
Umverteilung von intensiver zu extensiver Produktion. Die
bereits erworbenen Erfahrungen mit der Einhaltung von
Standards hilft den Biobauern schneller und effektiver auf
die neuen Anforderungen der “Cross-Compliance” zu reagieren,
insbesondere in Bezug auf Umweltstandards und Tierschutz.
Biobauern sind darüber hinaus von der obligatorischen
Flächenstilllegung befreit, so dass sie ihr gesamtes Land
weiterhin in optimaler Weise bewirtschaften können, ohne
dass ein Teil des Landes brach liegen muss.
- Zweitens ist die Forschung
ein weiterer wichtiger Bereich, der zum künftigen Erfolg des
Ökolandbaus beitragen kann. Die Kommission unterstützt
bereits Forschungen im Bereich der ökologischen
Anbaumethoden, und zwar vor allem mit Schwerpunkt in der
"Lebensmittelqualität und -sicherheit".
- Drittens sind Kontrollen
nötig, um die Integrität der Bezeichnung „ökologisch“ zu
erhalten. Es ist extrem wichtig, dass die Verbraucher sicher
sein können, dass Produkte, die als ökologisch
gekennzeichnet sind, auch wirklich ökologisch erzeugt
wurden. Unser heutiges Kontrollsystem arbeitet in den
meisten Fällen effizient. Im Laufe der Zeit wurden die
Kontrollanforderungen aufgrund der Erfahrungen bereits in
mehreren Punkten angepasst.
An erster Stelle möchte ich
hier die Einführung von Risiko orientierten Kontrollen nennen.
Das Kontrollsystem kann aber noch effizienter werden, und wir
werden demnächst über Mittel und Wege nachdenken, wie wir das
Kontrollsystem verbessern können, ohne den Marktteilnehmern
einen zu großen Verwaltungsaufwand aufzubürden.
- Dies bringt mich zu den
möglichen, ja notwendigen Veränderungen, die vordringlich in
der EU-Verordnung behandelt werden sollten:
- Erstens wird in der
derzeitigen Verordnung zwar ausgeführt, was als ökologisch
gekennzeichnet werden darf und was nicht. Die
Grundprinzipien des ökologischen Landbaus müssen aber besser
und klarer definiert werden. Wenn wir den öffentlichen
Nutzen der ökologischen Landwirtschaft herausstreichen und
die wichtigsten Grundsätze des Biolandbaus auflisten, sorgen
wir für mehr Transparenz und schaffen Vertrauen bei den
Verbrauchern.
- Zweitens müssen wir die
bestehenden Lücken in der Verordnung schließen, die es vor
allem noch bei den Normen für Verarbeitungserzeugnisse auf
Fleischbasis gibt.
- Drittens müssen wir uns
überlegen, was mit den verschiedenen Übergangs-Bestimmungen
geschehen soll, die wir zur Absicherung einer reibungslosen
Fortentwicklung des Ökosektors akzeptiert haben.
Insbesondere spreche ich hier die Möglichkeit an, dass
Ökobetriebe bis zu 20 % nicht ökologisch erzeugter
Futtermittel hinzu kaufen dürfen oder nicht ökologisch
aufgezogene Tiere für die Umstellung einsetzen dürfen. Diese
Übergangsvorschriften waren richtig und sie haben die
Entwicklung des ökologischen Landbaus in der gesamten EU
erleichtert. In einigen Fällen liefen die Übergangszeiträume
schon 2003 aus, in anderen Fällen reichen sie noch bis 2005
oder sogar bis 2010.
Meiner Meinung nach sollten wir
diese Übergangszeiträume im Interesse der Integrität des
ökologischen Landbaus aber nicht verlängern. Die Verbraucher
rechnen nicht damit, dass als ökologisch erzeugt gekennzeichnete
Tiere mit nicht ökologischen Futtermitteln gefüttert wurden. Wir
müssen sicherstellen, dass unsere Standards weder hinter den
Erwartungen der Öffentlichkeit noch hinter internationalen
Standards zurückbleiben.
EIN- UND AUSFUHREN
Ich komme nun zum Außenhandel.
In Anbetracht der zunehmenden Globalisierung, die auch vorm
ökologischen Landbau nicht halt macht, müssen wir die
derzeitigen Regeln und Verfahren zur Anerkennung der
Gleichwertigkeit überprüfen. Lange Zeit war die EU beim
Ökolandbau führend. Allerdings boomt nicht nur der Biolandbau,
sondern mit ihm auch die entsprechende Anzahl an
Rechtsvorschriften in immer mehr Ländern. Das gilt vor allem
auch für die Vereinigten Staaten, mit denen gegenwärtig
Verhandlungen über die gegenseitige Anerkennung des ökologischen
Landbaus laufen. In vielen Punkten sind wir einer Meinung; aber
es bestehen auch einige Unstimmigkeiten, und zwar insbesondere
dort, wo die USA von den internationalen Richtlinien des Codex
Alimentarius abweichen.
Die Mitglieder des Codex
Alimentarius haben eine weltweit gültige Leitlinie erarbeitet,
die als internationale Norm dient. Um die Transparenz zu erhöhen
und um zur weltweiten Harmonisierung beizutragen, sollte ein
detaillierter Vergleich zwischen der EU-Verordnung und der
internationalen Norm durchgeführt werden.
Die wesentlichen Unterschiede
müssen herausgearbeitet und im Anschluss daran möglichst
verringert werden. In Übereinstimmung mit unseren
internationalen Verpflichtungen sollte die Leitlinie des Codex
Alimentarius als Entscheidungsgrundlage dafür dienen, ob
Einfuhrerzeugnisse als ökologisch erzeugt anerkannt werden
können oder nicht.
Wir sollten auch nicht zögern,
Drittländern diese Leitlinie vorzuhalten. Damit können wird
verhindern, dass mit Pseudoargumenten Barrieren gegen die
Ausfuhr von Ökoprodukten aus der EU errichtet werden. Die
Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten müssen zusammenarbeiten und
im Codex eine gemeinsame Linie vertreten.
Die Einfuhren von Ökoprodukten
haben deutlich zugenommen, wobei ein hoher Prozentsatz aus den
Entwicklungsländern stammt. Zum Großteil handelt es sich um
tropische Erzeugnisse, die von der Lebensmittelindustrie als
Zutaten für die immer breiter werdende Palette von
weiterverarbeiteten Ökoprodukten benötigt werden. Diese größere
Auswahl unterstützt und fördert die Entwicklung dieses Marktes
in der EU und dürfte deshalb auch den EU-Erzeugern zugute
kommen. Die meisten Einfuhren erfolgen zur Zeit im Rahmen einer
zeitlich befristeten Regelung, die im nächsten Jahr ausläuft.
Wir müssen deshalb eine neue Strategie entwickeln. Dabei sollten
wir auf der Erfahrung mit bestehenden Bewertungssystemen
aufbauen, Doppelarbeit vermeiden und Einrichtungen des privaten
Sektors besser integrieren, indem wir sie mit der Durchführung
von technischen Bewertungen beauftragen.
Die Entwicklungsländer sollten
ermutigt werden, Maßnahmen durchzuführen, damit die Landwirte
die Normen erfüllen können und die Kontrollen verstärkt werden.
Die Bezeichnung „ökologisch“ darf aber bei den Verbrauchern
nicht in dem falsch verstandenen Bemühen, die Einfuhren zu
erleichtern, verunglimpft werden. Wir tun niemanden einen
Gefallen, wenn wir die Standards für die Entwicklungsländer
senken und sich dadurch das Ansehen ihrer Erzeugnisse auf dem
EU-Markt verschlechtert.
Eine Frage wurde in dem
Aktionsplan nicht behandelt, nämlich die Geldfrage. Obwohl wir
nicht direkt mehr Geld für den Ökosektor vorschlagen, haben die
Mitgliedstaaten bereits mit den Entwicklungsprogrammen für den
ländlichen Raum und den Marktmechanismen die Möglichkeit, den
ökologischen Landbau und die Vermarktung verstärkt zu
berücksichtigen. Die Entscheidungen über die Mittelzuweisungen
sollten aber den Haushaltsbehörden und dem Haushaltsverfahren
überlassen werden. In jedem Politikbereich gibt es glühende
Befürworter, die es gerne sehen würden, wenn wir alles Geld, das
wir haben, für ihre Sache ausgeben würden. Der Ökosektor ist da
keine Ausnahme. Wir wissen aber alle, dass an unsere Haushalte
konkurrierende Forderungen gestellt werden, sei es bei der
ländlichen Entwicklung, den Hilfen für die Entwicklungsländer
oder bei der Forschung. Der Ökosektor hat in allen diesen
Bereichen seinen Platz. Aber ich glaube, dass ein Aktionsplan
kaum dafür gedacht sein kann, für das gesamte Tätigkeitsspektrum
vernünftige Ausgabenprioritäten festzulegen.
Meine sehr verehrten Damen und
Herren !
Der Rat hat am 18. Oktober
diesen Jahres die Schlussfolgerungen über den Aktionsplan
angenommen, wobei er den vorgeschlagenen Katalog von 21 Aktionen
grundsätzlich unterstützt. Ferner schließt sich der Rat der von
der Kommission vorgenommenen Analyse des derzeitigen
Entwicklungsstands des ökologischen Sektors in der EU voll und
ganz an. Schließlich ersucht der Rat die Kommmission und die
Mitgliedstaaten, in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich die
notwendigen Maßnahmen im Hinblick auf die Umsetzung des
Aktionsplans zu treffen.
Viele Punkte des Aktionsplanes
befinden sich bereits in der Umsetzung durch die
Kommissionsdienstellen. Dies gilt namentlich für die Aktionen
zur Absatzförderung, für die Aufbereitung und den Vergleich
internationaler und privatwirtschaftlicher Standards, für die
Zusammenstellung von Statistiken sowie für die Verbesserung des
gesetzlichen Rahmens bei verarbeiteten Tierprodukten, Importen
und Kontrollen. Außerdem wird die Kommission im Laufe des
nächsten Jahres Maßnahmen zur Vereinfachung und Sicherstellung
der Gesamtkohärenz im Rechtsbereich voranbringen.
Abschließend möchte ich erneut
betonen, dass die Kommissionsdienstellen diesen Aktionsplan nur
als einen Zwischenschritt sehen. Es ist ein sehr wichtiger
Schritt, jedoch eben nur ein Zwischenschritt in einem
kontinuierlichen Prozess. In diesem Prozess müssen wir die
erzielten Ergebnisse überprüfen und mit allen Interessengruppen
und Beteiligten in einem ständigen und konstruktiven Dialog
bleiben. Nur so wird es uns am Ende gelingen, die besten
Praktiken zu finden.
Ich danke Ihnen für Ihre
Aufmerksamkeit. |